* Grauensteins; als der letzteren einmal die ausgebreitete Wäsche
geraubt wurde, verwandelte sich dieselbe in zischende Ottern. Bemer—
kenswert ist übrigens, daß die Grauensteiner Jungfrau keinen Kopf
hat, und sie erinnert dadurch an eine der zahlreichen weißen Frauen
des Vogtlandes, welche zuweilen aus den unterirdischen Gemächern der
Teufelskanzel bei Ranis hervortritt und an der Stelle des Kopfes zwei
goldene Hörner trägt. (Rob. Eisel, Sagenbuch des Vogtlandes,
No. 235.) Die Jungfrauen auf dem Hausberge bei Graslitz hängen
Wäsche auf, die sich beim Näherkommen in Spinngewebe verwandelt.
Anderwärts im Gebirge scheint man die aufgehängte und plötzlich wie—
der verschwindende Wäsche den Holzweibeln zugeschrieben zu haben.
(S. Dämonensagen.)
Da die Wolke in der Vorstellung unserer Vorfahren sowie der
Slaven auch als Brunnen galt, so wohnen weiße Jungfrauen nicht
bloß auf Bergen, sondern auch in Brunnen. Die Sage erzählt von
einem Wunderbrunnen auf dem Fichtelberge, an dem man zu Zeiten
eine Jungfrau gesehen hat. Durch diese Brunnenjungfrauen werden wir
auch wieder auf die mütterliche Gottheit der Erde Nerthus und auf
Frau Holle hingewiesen, welche den Aufenthalt in Brunnen liebten;
in der Mittagsstunde sah man sie als weiße Frauen daselbst baden
und dann wieder verschwinden. (Jac. Grimm, deutsche Mythologie,
S. 166.) Derartigen Überlieferungen begegnet man in den meisten
Gauen unseres deutschen Vaterlandes; so badet auch oft eine weiße
Frau in dem Heribertsborn, welcher auf dem Höhenzuge Grünscheid
bei Solingen entspringt. (Leibing, Sagen und Märchen des Bergischen
Landes, No. 54.) Ebenso sind derartige Sagenklänge auch in Böhmen
heimisch; dort wird die gütige Jungfrau Lida, welche in Brunnen
wohnt und nur in mondhellen Nächten hervorkommt, auf Lada, die sla—
vische Göttin des Frühlings und der Liebe zurückführt. (Grohmann,
Sagenbuch von Böhmen, S. 33.)
Die auf und in den Bergen, besonders solchen, welche ehemals
Burgen trugen, wohnenden weißen Jungfrauen, denen die Sage ge—
wöhnlich ein Schlüsselbund beilegt, und von denen sie erzählt, daß sie
unermeßliche Schätze hüten (s. die Schatzsagen), sind ebenfalls göttliche
Wesen. Grohmann (a. a. O., S. 34) meint, daß unter ihnen in
Böhmen die Tochter des Donnergottes Perun, die jungfräuliche Göttin
Devana zu verstehen sei, welche Hanus als Göttin des Lichtes deutet.
Während des Winters, wenn das Licht durch trübe Wolken verdeckt
wird, ist dieselbe in die Wolkenberge verbannt, und sie wartet auf den
Frühling, welcher sie wieder befreien soll. So warten auch die in das
Innere der Berge verbannten Jungfrauen, und vielfach ist es eine Blume,
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