434 POLITIK DES VOGELS STRAUSS
langsamung des Bautempos darstelle und als solche den Engländern hätte
dargestellt werden müssen. Diese Tatsache bedeute aber seines Erachtens,
daß ein erneuter Agreements-Versuch gar nicht zu erwarten sei. In keinem
Falle könnten wir uns auf eine Verständigung mit England ohne genügende
militärische Gegenleistungen von englischer Seite einlassen. Im ganzen sei
er in jetziger Lage für ruhiges Abwarten.
Graf Metternich betont nochmals, daß er von Seiner Majestät dem
Kaiser die bestimmte Weisung erhalten habe, den Engländern zu sagen,
Seine Majestät habe nicht die Absicht, über das Flottenprogramm
hinauszugehen. Von einer etwaigen Novelle für 1912 habe er bis vor
wenigen Tagen nie etwas gehört.
Admiral von Tirpitz erklärt, daß es allgemein, auch bei den Engländern,
bekannt sein müßte, daß das Jahr 1911 ein kritisches sei, in dem eine
Novelle erwartet werden könnte. Die Befürchtung der Engländer, daß in
einigen Jahren eine abermalige Novelle zum deutschen Flottengesetz
kommen werde, sei vom Herrn Botschafter bereits in seinem Berichte
über die Unterredung mit Sir Charles Hardinge vom 30. Juni 1908 klar
ausgesprochen worden.
Der Herr Reichskanzler hebt hervor, daß er bisher aus den münd-
lichen und schriftlichen Besprechungen mit dem Herrn Staatssekretär
des Reichsmarineamts niemals den Eindruck erhalten habe, daß dieser
eine Verständigung mit England in der Flottenfrage wünsche. Er sei er-
staunt, jetzt zu hören, daß der Herr Staatssekretär im vorigen Herbst eine
solche Verständigung für möglich und sogar für erstrebenswert gehalten habe;
davon habe er, der Reichskanzler, bisher keine Ahnung gehabt. Er verstehe
aberauchnichtrecht, warum das, was damals dem Staatssekretär möglich und
nützlich erschienen wäre, jetzt von ihm perhorresziert würde. Die Beunruhi-
gung in England sei nicht Mache Sir John Fishers, sondern entspringe leider
der tiefen und festen Überzeugung des englischen Volks, daß das Anwachsen
unserer Seemacht das britische Reich an der Wurzel bedrohe. Darüber
dürften wir uns keinen Täuschungen bingeben. Man könne mancherlei Po-
litik treiben; die bedenklichste Politik aber sei die Politik des Vogels Strauß.
Trotz der von uns allen anerkannten und bewunderten Tüchtigkeit unserer
Flotte seien wir, nach der Ansicht des Admirals von Tirpitz, jetzt nicht in
der Lage, einen Konflikt mit England siegreich zu bestehen. Um die zwischen
heute und dem Ausbau unserer Flotte liegende Gefahrzone zu durch-
schreiten, empfehle sich eine Verständigung mit England. Selbstverständ-
lich könne eine solche Verständigung nur auf Gegenseitigkeit beruhen. Daß
er, der Reichskanzler, keine Lösung akzeptieren und keinen Schritt emp-
fehlen werde, der nicht im vollen Einklang mit der Würde der Nation sei,
brauche er nicht besonders zu betonen. Dafür bürge wohl die Art und Weise,