Veränderun-
gen im Aus-
wärtigen Amt
442 DER FALL HAMMANN
Patriotismus kannte keine Schranken. Er verkörperte die unlösbare Zu-
sammengehörigkeit der Rheinlande mit der Monarchie. Persönlich werde
ich dem teuren Entschlafenen, der mir seit dem großen Kriege in allen
Lebenslagen ein väterlicher Freund war, immer das dankbarste und liebe-
vollste Andenken bewahren. Meine Frau schließt sich meinen Empfindungen
von Herzen an.“ Möge der Feldmarschall Lo&, der ein ritterlicher Soldat,
ein treuer Sohn der katholischen Kirche, ein treuer Diener vier preußischer
Könige und dreier deutscher Kaiser, ein glühender preußischer und deutscher
Patriot war, den Söhnen der schönsten preußischen Provinz als Vorbild vor
Augen stehen, bis einst an dem von Knechtschaft und Schmach befreiten
deutschen Rhein sich der Denkstein erheben wird, den wir Walter Lo& jetzt
nur in unserem Herzen errichten können.
Im Auswärtigen Amt hatte ich esschwerer als früher. Herr von Schön
war nicht von den Interessen der Geschäftsführung, sondern wie sein Vor-
gänger Tschirschky in erster Linie von dem Gedanken beherrscht, nicht an
Allerhöchster Stelle anzustoßen. Nur daß, im Gegensatz zu Tschirschky,
der das vorstellte, was man auf französisch „un rond de cuir“ nennt, das
heißt ein Aktenmensch, der auf seinem amtlichen Sessel am Schreibtisch
seinen Mann steht, le Baron de Schön ebenso unzulänglich wie unzuver-
lässig war. Und endlich versagte infolge widriger Privatverhältnisse mein
Pressechef, Otto Hammann, gerade imletzten Winter meiner Amtszeit.
Hammann hatte, bald nachdem ich Staatssekretär geworden war, seine
erste Frau auf einer mit ihr im Schwarzwald unternommenen Fußreise
durch einen plötzlichen Tod verloren. Holstein, der, wenn er haßte, zügellos
in seinen Verdächtigungen war, wollte, nachdem er sich mit seinem früheren
Fidus Achates und Kampfgenossen gegen den entamteten Bismarck, dem
Geheimrat Hammann, überworfen hatte, mir einreden, daß die erste Frau
Hammann keines natürlichen Todes gestorben sei. Ich habe das nie ge-
glaubt und diese Insinuation weit von mir gewiesen. Allerdings soll der
Kummer über die Liebe ihres Gatten für eine andere das Ende der armen
Frau beschleunigt haben. Witwer geworden, drängte Hammann, der nicht
wie ein Lovelace aussah, aber offenbar eine leidenschaftliche Seele war, die
von ihm angebetete Dame zur Scheidung. Deren Gatte, der einer der ersten
Architekten in Deutschland war, widersetzte sich. Schließlich kam ein
Arrangement zustande, das einen finanziellen Hintergrund hatte. Die
geschiedene Frau sollte von ihrem bisherigen Mann eine nicht unbedeutende
Jahresrente erhalten, unter der Bedingung, daß zwischen ihr und ihrem
künftigen Ehemann bis zur Wiederverheiratung keine intimen Beziehungen
stattfänden. Der verlassene Gatte war nicht in bester Laune, was sich den«
ken läßt. Er war noch immer eifersüchtig, was auch begreiflich ist. Er
ermittelte durch einen gewiegten Detektiv, wo die Ungetreue sich mit ihrem