„WIR BLEIBEN ZUSAMMEN!" 449
verlieren würden. Und endlich haben Eure Majestät sich in Highcliffe
gerühmt, der wahre Sieger über die Buren zu sein, denn der Plan, mit dem
Lord Roberts die Buren besiegt hätte, wäre von Ihnen ausgearbeitet worden.
Ich halte es für ausgeschlossen, daß irgendein Mensch in Deutschland oder
in England mir zugetraut haben würde, ich hätte Eurer Majestät dazu
geraten, so etwas zu behaupten.“ Der Kaiser: „Das heißt so viel, als daß
Sie mich für ein Rindvieh halten, dem man Dummheiten zutraut, die man
Ihnen nicht zutrauen würde.“ Ich: „Das sei ferne! Ich muß mal wieder
zitieren: Non omnia possumus omnes, sagt der Lateiner, und Schiller
konstatiert, daß die Lebensgüter ungleich verteilt sind. Die menschlichen
Gaben sind auch ungleich verteilt. Eure Majestät sind mir auf vielen, auf
sehr vielen Gebieten sehr überlegen, nicht nur, wie das selbstverständlich
ist, auf militärischem und noch viel mehr auf marinetechnischem Gebiet,
sondern in allen Naturwissenschaften. Ich habe oft mit Bewunderung
angehört, wie Sie das Barometer erläuterten oder die drahtlose Telegraphie
oder die Röntgenstrahlen. Ich bin in allen Zweigen der Naturkunde von
einer mich beschämenden Unwissenheit. Ich habe keine Ahnung von Chemie
und Physik, ich bin ganz außerstande, den einfachsten naturwissenschaft-
lichen Vorgang zu explizieren. Dafür habe ich einige historische Kenntnisse
und besitze vielleicht auch gewisse für die eigentliche Politik, insbesondere
für die Diplomatie nützliche Qualitäten.“ Der Kaiser stimmte mir lebhaft
zu. „Ich habe Ihnen immer gesagt“, meinte er, nun wieder in bester
Stimmung, „daß wir beide uns famos ergänzen. Wir müssen zusammen-
bleiben, und wir bleiben zusammen!“ Er schüttelte mir mehrmals kräftig
die Hand und fuhr von mir direkt zum Justizminister Dr. Beseler,
bei dem er sich zu ein Uhr zum Trübstück angesagt hatte. Es war
inzwischen einhalb zwei geworden, denn mein Immediatvortrag hatte
lange gedauert.
Im Justizministerium angelangt, wo alles gespannt und unruhig auf den
hohen Herrn wartete, ging dieser direkt auf den Chef der Reichskanzlei,
meinen treuen Mitarbeiter Loebell, zu, dem er die Hand mit den Worten
reichte: „Ich habe mich soeben mit dem Reichskanzler ausgesprochen,
alles ist in schönster Ordnung. Wer mir jetzt noch etwas gegen den Fürsten
Bülow sagt, dem fahre ich mit der Faust unter die Nase.“ Dabei machte der
Kaiser eine entsprechende Handbewegung. Am nächsten Tage erzählte mir
mein alter Kriegskamerad und treuer Freund, der Kabinettsrat Ihrer Ma-
jestät, Bodo Knesebeck, er habe am vorhergegangenen Abend an der Tafel
der Kaiserlichen Majestäten teilgenommen, zu der außer den kaiserlichen
Kindern nur er befohlen war. Der Kaiser habe, zu seinen Söhnen und zu ihm
gewandt, mit freudigem Ausdruck gesagt: „Mir ist ein Stein vom Herzen
gefallen. Ihr könnt mir alle gratulieren, zwischen mir und dem Kanzler
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