WILHELM II. STEUERT 33
Galerien und Museen für die Mediceer waren. Er konnte es nach meiner
Ernennung zum Staatssekretär kaum erwarten, mich während der „Kieler
Woche“ dort zu sehen. Jahr für Jahr mußte ich in seiner Begleitung in Kiel
weilen, obschon es mir manchmal recht unbequem war, Berlin zu verlassen.
So dankbar ich auch heute noch dem Kaiser für die Güte und Liebens-
würdigkeit bin, die er gerade in Kiel mir erwiesen hat, so gestehe ich doch,
daß ich in mancher Hinsicht mit einem gewissen Grauen an jene Tage
zurückdenke. Wir schifften uns gewöhnlich schon schr früh, vor sechs Uhr
auf dem „Meteor“ ein. Es war nicht das frühe Aufstehen, was mir schwer-
fiel, wohl aber die nun folgende endlose Langeweile. Da ich für den Segel-
sport wenig Interesse hatte, auch von nichts anderem auf dem „Meteor“
gesprochen wurde, so suchte ich mich nach einigen Tagen einer der zwei
kleinen Kabinen zu bemächtigen, die für die Gäste des „Meteor‘‘ bestimmt
waren. Als Lektüre befanden sich an Bord nur englische Romane, deren ich
eine ganze Anzahl von der ersten bis zur letzten Zeile bei diesem Anlaß
durchgelesen habe. Mit Vergnügen erinnere ich mich an „Peter Simple“,
einen Seeroman, der in reizender Weise die Erlebnisse eines englischen
Midshipman schilderte, an „Japhet in search of his father“, an „David
Copperfield“ und manche andere. Von Zeit zu Zeit zeigte ich mich auf Deck,
um festzustellen, wie lange das Vergnügen wohl noch dauern würde. Das
Beste war das Frühstück um ein Uhr, das der englische Koch schmackhaft
zurichtete und bei dem es gute Eisgetränke zu geben pflegte. Im übrigen
verlief die Fahrt fast immer in folgender Weise: Wenn wir den „Meteor“
bestiegen, standen am Steuer die beiden englischen Skipper, wie man die
Kapitäne der Jacht zu nennen pflegte. Der Kaiser war stets von dem bren-
nenden Wunsch erfüllt, die Jacht selbst zu steuern, wußte aber, daß die
Skipper dies nicht gern sahen, da sie im Interesse ihrer Reputation zu
siegen wünschten und überzeugt waren, daß dies ausgeschlossen wäre,
wenn der Kaiser steuerte. Nun versuchte der Kaiser, die Skipper durch
Liebenswürdigkeit für seine Absicht zu gewinnen. Er knüpfte freundliche
Gespräche mit ihnen an, er klopfte ihnen auf die Schulter, er offerierte ihnen
Zigaretten. Schließlich hatte er sie gewöhnlich so weit, daß sie ihm das
Steuer überließen. Dann trat früher oder später der Moment ein, wo alles
darauf ankam, die Jacht so um das Endziel herumzubringen, daß sie weder
an die dort liegende Boje anstieß, noch auch einen zu weiten Bogen machte,
der Zeitverlust bedeutete. Steuerte der Kaiser selbst, so stießen wir regel-
mäßig an die Boje. Dann war der Kaiser sehr betrübt, die Skipper brummten
und fluchten auf englisch, Prinz Heinrich, der die Sache verstand, machte
ein verdrießliches Gesicht, und dieser oder jener vorwitzige Flügeladjutant
meinte mit melancholischem Lächeln: „So geht es immer, wenn er selbst
steuern will.‘
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