Metternich
über Intrigen
zwischen
Berlin und
London
IU. KAPITEL
Deutscher Flottenbesuch in Plymouth im Juli 1904 » Bericht des Grafen Metternich,
Erläuterungen zu diesem Briefe « Vorbereitung der deutsch-russischen Handelsvertrags-
verhandlungen » Graf Witte, seine Verbandlungsmethode - Die Ermordung des rus-
sischen Ministers des Innern Plehwe « Handelsvertrag mit Rumänien, Handelsver-
tragsverhandlungen mit Österreich-Ungarn » \erheiratung des Kronprinzen « Die in
Aussicht genommenen Prinzessinnen, Verlobung mit Prinzessin Cecilie von Mecklenburg
m letzten Tage der Kieler Begegnung hatte König Eduard dem Kaiser
proponiert, die deutsche Flotte nach Plymouth zuschicken, um diesem
großen englischen Kriegshafen einen Besuch abzustatten. So behauptete
wenigstens der Kaiser. Mir war es, wie ich offen gestebe, schon damals
wahrscheinlicher, daß dieser Vorschlag in Wirklichkeit von Wilhelm II.
ausging, der hoffte, mit seinen stolzen und schmucken Schiffen in England
Eindruck, vielleicht moralische Eroberungen zu machen, jedenfalls den
Briten gewaltig zu imponieren. Diese seine Erwartung ging nicht in Erfül-
lung. Der Besuch unserer Flotte in Plymouth war a failure, ein Fehlschlag.
Der Empfang unserer Schiffe von seiten der Bevölkerung war nicht freund-
lich, von seiten der englischen Marine frostig. Englische Zeitungen brachten
häßliche Artikel, in denen wir beschuldigt wurden, englische Häfen durch
den Besuch deutscher Schiffe ausspionieren zu wollen. Ein großes englisches
Blatt stellte die alberne Behauptung auf, die deutschen Marineautoritäten
hätten die geeignete Landungsstelle für eine Invasion Englands aussuchen
und prüfen wollen.
Unser Botschafter in London, Graf Metternich, schrieb mir darüber:
unser Flottenbesuch in Plymouth habe in der englischen Presse „einen sehr
mäßigen Erfolg“ erzielt. Die englischen Zeitungen zeigten oder heuchelten
Mißtrauen über die „Auskundschaftung‘‘(!) englischer Kriegshäfen. Mit
Bezug auf die immer wiederholten, aber nicht immer taktvollen Bemühun-
gen unseres Kaisers, sich in England anzubiedern, fügte der Botschafter
hinzu: „Es ist nicht dignified, von Leuten mehr Liebe zu verlangen, als sie
geneigt sind zu geben. Alles zu seiner Zeit.“ Einige Tage später erhielt ich
von Metternich einen Brief, in dem er sich mit Quertreibereien beschäftigen
mußte, die nicht ohne ernsten und bedenklichen Hintergrund waren. Er
schrieb mir unter dem 9. Juli 1904: