Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

BÜLOWS GEGNER 493 
Ansicht, daß, wenn nun das Enteignungsgesetz ohne unnötige Härten, 
aber mit ruhiger Festigkeit und Stetigkeit zehn Jahre durchgeführt würde, 
das Deutschtum im preußischen Osten gesiegt habe. So standen im Osten 
die Dinge, als Heydebrand und sein Schildknappe Westarp mit Hilfe der 
Polen meinen Rücktritt herbeiführten und damit einer Entwicklung die 
Wege ebneten, die zu der Wiederherstellung von Polen und damit zum 
Verlust der deutschen Ostmark führte. 
Je näher in der Frage der Erbschaftssteuer die Entscheidung rückte, 
um so höher stieg die Erregung im Lande, das ohne Frage und gerade in 
seinen besten, in den national gesinnten Kreisen mein Bleiben wünschte. 
Um so eifriger aber wurden auch die Bemühungen meiner Gegner und 
namentlich meiner böfischen Gegner, meinen Rücktritt herbeizuführen. 
Die Haltung Seiner Majestät wurde immer widerspruchsvoller. Ich hatte 
Weisung gegeben, dem Kaiser alle ernsten Zeitungsartikel über die inner- 
politische Lage und insbesondere über mich selbst vorzulegen, nicht nur die 
freundlichen, sondern auch, und zwar vorzugsweise, die unfreundlichen. 
Ad marginem der für mich günstigen Artikel schrieb Seine Majestät; 
„Bravo! Bravissimo! Ganz vorzüglich! So sollten alle denken!“ Tadel und 
Angriffe gegen mich wurden mit Randvermerken versehen, wie „Lüge! 
Verleumdung! Elender Preßpirat!“ Ich entsinne mich des Artikels eines 
Wiener Blatts, in dem ausgeführt wurde, der Kaiser wäre zu edel und zu 
patriotisch, als daß er mir meine Haltung während der Novemberkrisis von 
1908 nachtragen könnte. Der Kaiser schrieb ad marginem: „Ist mir aus 
der Seele geschrieben!“ Ich entsinne mich auch eines anderen Artikels, 
in dem es hieß, daß der Kaiser innerlich meinen Fortgang nicht ungerr. 
sehen würde, denn er grolle mir wegen der Vorhaltungen, die ich ihm im 
November 1908 gemacht hätte. Der Kaiser schrieb an den Rand: „Schurke! 
Erbärmlicher Verleumder!“ Leider hörte ich aber auf der anderen Seite von 
Vorgängen, die nicht ganz mit diesen Allerhöchsten Marginalien überein- 
stimmten. Graf August Eulenburg teilte mir vertraulich mit, daß der Kaiser 
zu längerer Unterredung denselben Eckardstein empfangen hätte, den er 
nach seinem skandalösen Ehescheidungsprozeß und allerlei anderen üblen 
Streichen und öffentlicher Brandmarkung aus dem Beamtenstand hatte 
ausstoßen wollen. Ich hörte auch, daß der Kaiser einen meiner gehässigsten 
Gegner, den Grafen Hans Oppersdorff, mit seiner Frau zu einem kleinen 
Diner befohlen und sich lange mit ihm unterhalten habe. Um diese Ein- 
ladung vor der Kaiserin, die lebhaft mein Bleiben wünschte, zu motivieren, 
war ihr gesagt worden, daß die Gräfin Oppersdorff nicht weniger als zwölf 
Kindern das Leben gegeben hätte und das in vierzehn Jahren. Unter den 
zwölf Sprossen waren nämlich zwei Zwillingspärchen. Die Gräfin Dodo 
Oppersdorff, eine geborene Prinzessin Radziwill, war übrigens eine schöne 
Wilhelm II. 
und Biloro
	        
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