EINE KÜNSTLICH AUFGEBAUSCHTE FRAGE 521
Ausschaltung des Zentrums habe ich niemals begangen. Wenn aber die
Konservativen die Blockpolitik für einen Fehler gehalten haben, so ver-
stehe ich nicht, warum sie zweieinhalb Jahre hindurch diese Politik mit-
gemacht und durch Stellung des ersten Präsidenten sanktioniert haben.
Ich vermag hier politische Logik und Konsequenz nicht zu erkennen.“
Ich wies weiter darauf hin, daß die Frage der Ausdehnung der Erbschafts-
steuer, deren Prinzip die Konservativen ja schon anerkannt hätten, gar
nicht eine Frage wäre, die konservative Grundsätze berühre, von der Sein
oder Nichtsein der Konservativen Partei abhänge. „Die Frage ist von der
Konservativen Partei-Führung künstlich aufgebauscht worden. Und wenn
man jetzt nachträglich das Prinzip des Reichstagswahlrechts in die Debatte
wirft, in einem Moment, wo man den Massenkonsum erheblich belastet, so
hat man damit nur Wasser auf die sozialdemokratischen Agitationsmühlen
geleitet. Das Land wird auch mehr und mehr erkennen, daß, wenn die
Haltung der Konservativen eine andere gewesen wäre, die Finanzreform
in einer nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ befriedigenden
Weise, ohne Sprengung des Blocks, ohne Wechsel in der Regierung, ohne
Preisgabe der Errungenschaften und Hoffnungen des Walhlkampfs vom
Januar 1907, des schönen Aufschwungs von damals, schr wohl zustande
kommen konnte.“
Ich wies auf die Besorgnisse hin, welche die Haltung der Konservativen
im Lande hervorgerufen hätte. „Das Land fühlt die Gefahren, welche
diese Haltung der Konservativen für die Partei selbst und für das Vater-
land in sich birgt. Diese Haltung kann der Ausgangspunkt einer Ent-
wicklung werden, die erbitterte Parteigegensätze schafft, unnatürliche
Parteigruppierungen hervorruft und für das Wohl des Landes nicht
zuträglich ist. Fürst Bismarck hat mehr als einmal gesagt, ob eine
politische Aktion richtig sei oder nicht, lasse sich meist nicht im Moment,
sondern erst einige Jahre später beurteilen. Das gilt auch für die Aktion,
welche die Führer der Konservativen Partei jetzt gegen mich in Szene
gesetzt haben. Ob sie richtig und für das Land ersprießlich war, wird sich
bei den nächsten Wahlen zeigen.“ Ich erinnerte Herrn von Eckardt daran,
daß ich die Sozialdemokratie nicht nur in ihren Führern rednerisch über-
wunden, sondern ihr auch eine schwere, praktisch und politisch sehr be-
deutungsvolle Wahlniederlage beigebracht babe. Und ich fügte hinzu:
„Indem die sozialdemokratische Fraktion von achtzig auf vierzig Sitze
heruntergedrückt wurde, ist der Beweis geliefert worden, daß die Sozial-
demokratie auch ohne Ausnahmegesetze und ohne Polizeimaßregeln be-
kämpft und besiegt werden kann. Wir werden sehen, ob dies bei den
nächsten Wahlen wieder gelingt. Die Sozialdemokratie befindet sich jetzt
in rückläufiger Bewegung. Wir werden sehen, ob die sozialdemokratische
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