IM GARTEN AM BERLINER SCHLOSS 523
zu verziehten und das Band vertrauensvollen Zusammenwirkens, das Mich
so viele Jahre mit Ihnen verbunden hat, zu lösen, habe Ich doch in Würdi-
gung der gewichtigen Gründe Ihres Entschlusses geglaubt Ihrem dringenden
Wunsch Mich nicht länger verschließen zu dürfen. Ich habe daher Ihrem
Antrage entsprochen und Ihnen die erbetene Entlassung gewährt. Es ist
Mir aber ein Bedürfnis des Herzens, Ihnen bei dieser Gelegenheit für die
Hingebung und Aufopferung, mit denen Sie in den verschiedensten
Ämtern und Stellungen Ihrer ehrenvollen und segensreichen Dienst-Lauf-
bahn Meinen Vorfahren, Mir und dem Vaterlande so hervorragende Dienste
geleistet haben, Meinen wärmsten Dank auszusprechen. Gott der Herr
schenke Ihnen nach einem so taten- und arbeitsreichen Leben noch viele
Jahre ungetrübten Glückes. Indem Ich Ihnen als äußeres Zeichen Meiner
Dankbarkeit, Anerkennung und Zuneigung den hohen Orden vom
Schwarzen Adler mit Brillanten verleihe und die Insignien desselben hier-
neben zugehen lasse, verbleibe Ich Ihr Ihnen stets wohlgeneigter, dank-
barer Kaiser und König Wilhelm I. R.“ Bei Überreichung dieses Aller-
höchsten Handschreibens bemerkte Herr von Valentini aus eigenem An-
trieb, bevor ich das Schreiben gelesen hatte und mit einiger Befangenheit,
der kaiserliche Abschiedsbrief entspräche nicht meinen Verdiensten. Er
hätte dem Kaiser einen Entwurf vorgelegt, der viel wärmer gehalten ge-
wesen wäre. Der Kaiser habe diese Fassung aber abgelehnt und ein kühleres
Schreiben verlangt. Valentini fügte hinzu, er führe diese Stimmung Seiner
Majestät in erster Linie auf Einflüsterungen des Professors Schiemann
zurück, der an dem Tage, wo mein Rücktritt sicher festgestanden habe,
sich aus einem enthusiastischen Bewunderer und Anhänger des Fürsten
Bülow in einen hämischen Feind verwandelt hätte.
Am nächsten Tage fand meine Abschiedsaudienz bei Seiner Majestät statt.
Der Kaiser empfing mich in dem Gärtchen an dem sogenannten „Grünen
Hut“, einem Anbau des Schlosses. Der Name soll von der Farbe des durch
sein ehrwürdiges Alter grün gewordenen Kupferdachs herrühren, das sich
über dem Turmgebäude erhebt, an das der kleine, von der Kurfürstenbrücke
aus sichtbare Garten anstößt. Gegenüber dem „Grünen Hut“ liegt das älteste
Berliner Hotel, der „König von Portugal‘, dessen Geschichte in das 17. Jahr-
hundert zurückreicht. Anfänglich ein Logierhaus mit Ausschank, hatte die
bescheidene Herberge in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Ehre,
daß eine an den Hof des Königs von Preußen entsandte portugiesische Ge-
sandtschaft in diesem Gasthof abstieg. Beglückt durch solche Auszeichnung,
nahm die Herberge den Namen „Zum König von Portugal“ an. Ob der da-
malige portugiesische Reichskanzler, der Freund der Aufklärung und Feind
der Jesuiten, der berühmte Jos@ de Carvallo Emello Graf von Oeyras und
Marquis von Pombul, von dieser Huldigung für Lusitanien etwas gewußt
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in Berlin