Brief der
Kaiserin über
den Kaiser
68 DER HERR WAR MIT DAVID
Behandlung des Doggerbank-Vorfalls in tiefgehender, nachhaltiger Weise
verschärft seien. Bei späterer Gelegenheit kam Seine Majestät auf die
dänische Frage mit der Äußerung zurück, Dänemark werde sich entschließen
müssen, sich in irgendeiner Weise, zunächst in Form eines Zollbündnisses,
sodann auch mit militärischen Einräumungen, unter den Schutz des Deut-
schen Reichs zu stellen, wogegen ihm sein Besitzstand gewährleistet werde.
Zu Lebzeiten König Christians werde Er, der Kaiser und König, möglichste
Rücksicht walten lassen, später aber würde diese hinwegfallen. In ähn-
lichem Sinne wie Seine Majestät hat sich der Generaladjutant von Plessen
bezüglich Dänemarks in einem Tischgespräch zu mir geäußert. Der General
bemerkte noch, daß es für uns im höchsten Grade erwünscht sei, nicht nur
Dänemark, sondern auch Holland mit seinen Kolonien in die Fand zu
bekommen, schon in Hinsicht auf die dringlich erforderliche Errichtung
von Kohlenstationen. Auf meine Bemerkung, daß solche Pläne nicht ohne
blutige Konflikte mit nahezu allen Großmächten einschließlich Amerikas
durchführbar seien, gab der General zu, daß ihre Verwirklichung vielleicht
noch in weite Fernen zu rücken sei.“
Philipp Eulenburg, der den Kaiser nach seiner Rückkehr von den
schlesischen Jagden gesehen hatte, schrieb mir unter dem 19. Dezember
1904, nicht ohne Besorgnis: „In diesen komplizierten Zeiten fulge ich
Deinen Wegen mit treuer Liebe und Teilnahme. Ganz große Politik läßt
sich nur in vollkommener Ruhe und bei tiefem Schweigen machen. Alle
Gewehre aus seinem eigenen Gewehrschrank nehmen und damit seine
Feinde bewaffnen — das geht nicht. Hier ist nicht der Platz, über so ernste
Dinge zu reden. Ich will damit warten, bis wir uns wiedersehen. Ich denke
mir, daß es in der Weihnachtswoche sein kann. Dein treuer alter dankbarer
Philipp E.“ Die Kaiserin schrieb mir nach den schlesischen Jagden: „Der
Kaiser scheint sehr zufrieden mit Jagd und Gesellschaftskreis der ver-
schiedenen von ihm besuchten Häuser. Ich freue mich über diese Abwechs-
lung, denn der Kaiser war durch die jetzige politische Lage so sehr ernst
gestimmt. Ich babe versucht, ihn wieder freundlicher zu stimmen, indem
ich ibm sagte, wenn wir auch schwächer wären in der Marine, erstens ist
unser Menschenmaterial doch besser durchgebildet und mehr Verlaß, und
dann sagte ich dem Kaiser, wie bei David und Goliath, auf Davids Seite
war die Kraft, da der Herr mit ihm war. Und das hoffe ich bei uns auch.
Freilich dürfen wir die Arbeit nicht ruhen lassen, und dafür sorgen Sie und
der Kaiser. Ich würde Ihnen aber doch dankbar sein, wenn Sie mir ein
Wort senden würden, ob Sie auch so schwarz sehen. Ich habe neulich die
kleine Altenburg gesehen, bin aber sehr dankbar, daß ich eine andere
Schwiegertochter habe. Diese kleine Altenburg sieht schrecklich zart und
langweilig aus. Mit herzlichen Grüßen Ihre Viktoria.“