Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

74 ABREISE NACH KRACH 
den Gatten meiner Stieftochter, der Gräfin Eugenie Dönhoff. „On m’a dit“, 
meinte der König, „que vous destinez Wallwitz a une ambassade. Si tel 
€tait le cas, je ne voudrais pas entraver la carriere de ce diplomate tres 
distingue. Mais personnellement je serais heureux de garder le comte Wall- 
witz a Bruxelles, oü il jouit de beaucoup de consid£ration et de la confiance 
gen£rale.‘“ Ich erwiderte, daß ich nicht die Absicht hätte, den Grafen Wall- 
witz Seiner Majestät dem Kaiser schon jetzt für eine Botschaft vorzu- 
schlagen, und daß er bis auf weiteres in Brüssel bleiben werde, was den 
König sichtlich erfreute. Über die Aämische Bewegung äußerte der König, 
daß sie an Boden gewönne, selbstverständlich im Rahmen des belgischen 
Staates und in voller Treue für das Flamen und Wallonen gemeinsame 
Vaterland. Die Flamen wären ebensogute Belgier wie die Wallonen. Ihr 
berechtigtes Streben, ihre reiche und schöne Sprache zu pflegen und ihre 
kulturelle Eigenart zu erhalten, würde auch bei den Wallonen um so mehr 
Verständnis finden, je weniger sich die deutsche Presse um die flämische 
Bewegung kümmere. 
Der hohe Herr wollte auch meine Frau begrüßen, der er gleichfalls 
in high terms von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn sprach, und 
überreichte mir schließlich eine prächtige Tabatiere mit seinem von 
Brillanten umgebenen Porträt. Die Tabatiere steht noch auf einer 
Etagere der Villa Malta, neben den Büsten des Königs Eduard und der 
Königin Alexandra von England, einem Bilde der Königin Alexandra mit 
ihrem Enkel, dem jetzigen Prinzen von Wales, auf dem Arm, zwei Porträts 
des Zaren, den Bildern der Großfürstin Maria Paulowna, der Königin Olga 
von Griechenland, des Königs und der Königin von Rumänien, der Kai- 
serin von China und vieler anderer Fürstlichkeiten. Als mich während 
des Winters 1914 auf 1915, wo ich mich, von Berlin alles eher denn loyal 
unterstützt, von Wien beständig konterkariert, in Rom bemühte, dem 
Ausbruch des Krieges zwischen Italien und den Zentralmächten vorzu- 
beugen, ein geistreicher deutscher Freund in der Villa Malta besuchte 
und jene Erinnerungen einer glücklicheren Vergangenheit erblickte, meinte 
er: „Ich finde Sie umgeben von den Trümmern der Bethmann Hollweg- 
schen Politik.“ 
Als jene wehmütige Äußerung fiel, im Januar 1915, war mehr als ein 
Jahrzehnt verflossen seit dem Besuch, den König Leopold II. der Reichs- 
hauptstadt abgestattet hatte. Die ersten Tage jenes Besuchs waren damals 
in voller Harmonie vorübergegangen. Es kam der letzte Tag, der 28. Januar 
1904, an dem der König abreisen wollte. Die Abendtafel war zu 8 Uhr ange- 
sagt,’ die Abreise sollte unmittelbar nachher erfolgen. Alle Eingeladenen 
waren erschienen, auch die Kaiserin war schon lange da, nur der Kaiser und 
sein belgischer Gast fehlten. Endlich traten beide ein. Mir fiel sogleich der
	        
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