Zuschriften
und Adressen
10 FLUT UND EBBE
gewiesen habe, vom Großen Kurfürsten bis zum Großen König, unter dessen
Szepter einst ja auch Norderney gestanden habe, und von dem großen
König bis zu unserem guten alten Kaiser. Im Dienste des nationalen Ge-
dankens stünde auch unser jetzt regierender Kaiser mitseinem edlen Herzen,
seinem auf das Beste gerichteten Wollen. „Solange Kaiser und Nation
einig sind, können wir getrost in die Zukunft blicken.“ Wenn mir anläßlich
meines Rücktritts in Norderney wie anderswo ein wohlwollendes Abgangs-
zeugnis ausgestellt worden sei, so glaubte ich dies darauf zurückführen
zu dürfen, daß ich nie einen anderen Leitstern gekannt hätte als das Wohl
des Landes, das Staatswohl und das Wohl der Dynastie, die unauflöslich
miteinander verknüpft seien. Denn was nützlich und notwendig sei für
die Nation, das fromme auch dem wahren Wohl der Krone. Ich war bei
diesen Worten, wie vorher bei meiner Unterredung mit Felix von Eckardt,
von dem Wunsch geleitet, nach Möglichkeit der Gefahr vorzubeugen, daß
mein Rücktritt auf Seine Majestät zurückgeführt würde, was nach Lage der
Dinge im Hinblick auf die Novemberereignisse und manches, was diesen
vorhergegangen war, dem Träger der Krone und dem monarchischen
System in der öffentlichen Meinung nur schaden konnte.
In Norderney fand ich eine Fülle von Zuschriften und Adressen, deren
Beantwortung während einiger Wochen meine Vormittage in Anspruch
nahm. Um so größer war das Behagen, mit dem ich nachmittags auf meinen
Pferden, die ich nach Norderney vorausgeschickt hatte, am Strande galop-
pierte, dabei auf die Wogen blickte und mir angesichts der ewigen Flut und
Ebbe den Wechsel im menschlichen Dasein wie im Dasein der Völker durch
den Sinn gehen ließ. Wenn ich einige der Zuschriften und Adressen wieder-
gebe, die mir bei meinem Rücktritt zugingen, so geschicht dies nicht aus
Eitelkeit oder Rechthaberei, über die ein normaler Mensch weg ist, wenn
ersich dem Alter des Psalmisten nähert und die Wahrheit des salomonischen
„Vanitas! Vanitatum Vanitas!“ oft in der Praxis erprobt hat. Ich will
aber feststellen, daß viele Patrioten, viele Gebildete aus allen Kreisen bei
meinem Abgang mein politisches Wirken richtiger einschätzten, daß sie
weiter sahen als die kurzsichtigen Führer der Konservativen, klarer als die
gehässigen Treiber im Zentrum, und daß sie sich nicht mit dem gerade in
Deutschland nicht seltenen kleinlichen und blinden Fraktionsstandpunkt,
dem Parteiinteresse sans phrase, identifizierten*.
* Diese Zuschriften und Adressen werden im Anhang dieses Bandes abgedruckt.