Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

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Friede ohne vorhergegangene Verhandlungen, ein Diktatfriede wie der 
von Versailles ist so wenig ein wirklicher Friede, wie es eine Eigentums- 
übertragung ist, wenn ein Raubmörder einen Unglücklichen zu Boden 
schlägt und ihn dann zwingt, ihm sein Portemonnaie auszuhändigen. 
Im Frieden von Versailles verloren wir über siebzigtausend Quadrat- 
kilometer mit über sieben Millionen Einwohnern. Wir verloren nicht nur 
die Reichslande, Straßburg, die wunderschöne Stadt, und die Feste Metz, 
um die und für die so viel teures deutsches Blut geflossen war, wir verloren 
auch Posen, unsere Kornkammer. Wir verloren den größeren Teil von West- 
preußen, das schon im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert durch den 
Deutschen Orden für das Deutschtum gewonnen, im achtzehnten Jahr- 
hundert durch den großen Preußenkönig wiedergewonnen worden war. Wir 
verloren Teile von Ostpreußen, ja von Pommern. Wir verloren den größten 
Teil von Oberschlesien und damit ein Hauptzentrum der deutschen In- 
dustrie. Wir verloren sogar das urdeutsche Danzig, die Heimat von Schopen- 
hauer, Fahrenheit, des genialen Kupferstechers und Malers Chodowiecki, 
eine der schönsten und ehrwürdigsten deutschen Städte. Wir verloren einen 
Teil von Nordschleswig, das deutsch gesinnte Huldschinerländchen, die 
wallonischen, aber treu an Deutschland und Preußen hängenden Bewohner 
von Eupen und Malmedy. Als Büttel, um den gefesselten Riesen zu be- 
wachen, wurden uns Polen und die Tschechoslowakei in die Flanken gesetzt. 
Beide uns feindlich gesinnten Länder durften ihre Heere beliebig vergrößern, 
das stand auch den Siegerstaaten frei, während unser Heer, einst das 
stärkste, das tapferste der Welt, auf eine kaum zur Aufrechterhaltung der 
inneren Ordnung genügende Polizeitruppe reduziert wurde. Unsere schöne 
Marine wurde auf wenige Linienschiffe und Kreuzer beschränkt. Alle 
anderen Schiffe mußten ausgeliefert werden. Wir allein durften keine 
U-Boote haben, Küstenbefestigungen nur in beschränktem Umfange. Kiel 
wurde offener Hafen, Helgoland entfestigt. Die Versenkung der Panzer- 
schiffe durch die deutsche Besatzung bei Scapaflow war ein Sonnenstrahl 
aus dunklem Gewölk. Es wurde uns, vielleicht der größte Schimpf, jeden- 
falls die größte Lüge, ein Schuldbekenntnis abgezwungen, in dem wir gegen 
die Überzeugung unseres ganzen Volkes anerkannten, wir wären als die 
alleinigen Urheber des Krieges verantwortlich für alle Verluste und 
Schäden, welche die Ententestaaten infolge des ihnen durch den deutschen 
Angriff aufgezwungenen Krieges erlitten hätten. Wir hatten der Entente, 
wie ich kaum noch einmal hervorzubeben brauche, den Krieg nicht nur 
nicht aufgezwungen, sondern wir waren im Sommer 1914 durch die 
Einfältigkeit und Ungeschicklichkeit unserer Regierenden in die uns 
gelegten Netze hineingestolpert. 
Das neue Regime hat geglaubt, die Sache Deutschlands in der Schuld 
Die 
Schuldfrage
	        
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