VERLOREN 317
Friede ohne vorhergegangene Verhandlungen, ein Diktatfriede wie der
von Versailles ist so wenig ein wirklicher Friede, wie es eine Eigentums-
übertragung ist, wenn ein Raubmörder einen Unglücklichen zu Boden
schlägt und ihn dann zwingt, ihm sein Portemonnaie auszuhändigen.
Im Frieden von Versailles verloren wir über siebzigtausend Quadrat-
kilometer mit über sieben Millionen Einwohnern. Wir verloren nicht nur
die Reichslande, Straßburg, die wunderschöne Stadt, und die Feste Metz,
um die und für die so viel teures deutsches Blut geflossen war, wir verloren
auch Posen, unsere Kornkammer. Wir verloren den größeren Teil von West-
preußen, das schon im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert durch den
Deutschen Orden für das Deutschtum gewonnen, im achtzehnten Jahr-
hundert durch den großen Preußenkönig wiedergewonnen worden war. Wir
verloren Teile von Ostpreußen, ja von Pommern. Wir verloren den größten
Teil von Oberschlesien und damit ein Hauptzentrum der deutschen In-
dustrie. Wir verloren sogar das urdeutsche Danzig, die Heimat von Schopen-
hauer, Fahrenheit, des genialen Kupferstechers und Malers Chodowiecki,
eine der schönsten und ehrwürdigsten deutschen Städte. Wir verloren einen
Teil von Nordschleswig, das deutsch gesinnte Huldschinerländchen, die
wallonischen, aber treu an Deutschland und Preußen hängenden Bewohner
von Eupen und Malmedy. Als Büttel, um den gefesselten Riesen zu be-
wachen, wurden uns Polen und die Tschechoslowakei in die Flanken gesetzt.
Beide uns feindlich gesinnten Länder durften ihre Heere beliebig vergrößern,
das stand auch den Siegerstaaten frei, während unser Heer, einst das
stärkste, das tapferste der Welt, auf eine kaum zur Aufrechterhaltung der
inneren Ordnung genügende Polizeitruppe reduziert wurde. Unsere schöne
Marine wurde auf wenige Linienschiffe und Kreuzer beschränkt. Alle
anderen Schiffe mußten ausgeliefert werden. Wir allein durften keine
U-Boote haben, Küstenbefestigungen nur in beschränktem Umfange. Kiel
wurde offener Hafen, Helgoland entfestigt. Die Versenkung der Panzer-
schiffe durch die deutsche Besatzung bei Scapaflow war ein Sonnenstrahl
aus dunklem Gewölk. Es wurde uns, vielleicht der größte Schimpf, jeden-
falls die größte Lüge, ein Schuldbekenntnis abgezwungen, in dem wir gegen
die Überzeugung unseres ganzen Volkes anerkannten, wir wären als die
alleinigen Urheber des Krieges verantwortlich für alle Verluste und
Schäden, welche die Ententestaaten infolge des ihnen durch den deutschen
Angriff aufgezwungenen Krieges erlitten hätten. Wir hatten der Entente,
wie ich kaum noch einmal hervorzubeben brauche, den Krieg nicht nur
nicht aufgezwungen, sondern wir waren im Sommer 1914 durch die
Einfältigkeit und Ungeschicklichkeit unserer Regierenden in die uns
gelegten Netze hineingestolpert.
Das neue Regime hat geglaubt, die Sache Deutschlands in der Schuld
Die
Schuldfrage