Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

PARTEIEN 19 
Bestien in Menschengestalt die Hände ab, mit denen er versuchte, sich am 
Lande emporzuarbeiten, und er versank abermals in den Fluten. Der Major 
von Klüber hatte sich im Weltkrieg hervorragend bewährt. Er trug auf 
seiner Brust die höchsten Kriegsauszeichnungen, das Eiserne Kreuz erster 
Klasse und den Orden pour le merite. Er entstammte einer Gelehrten- 
familie und war ein hochgebildeter Offizier, geliebt von allen, die seiner 
Sitten Freundlichkeit erfahren hatten. In Frankreich umgab die Armee 
auch nach der Niederlage von 1870/71 die Fürsorge, die Achtung, die leiden- 
schaftliche Liebe, ein förmlicher Kultus aller Parteien. In einer seiner be- 
rühmtesten Reden hat Leon Gambetta in den ersten Jahren nach dem 
Frankfurter Frieden die besiegte französische Armee das höchste Gut, den 
kostbarsten Besitz, die letzte Hoffnung des französischen Volkes genannt. 
Marschall Mac Mahon galt der öffentlichen Meinung Frankreichs als der 
„glorieux vaincu“. In Deutschland beschimpften weite Kreise den General 
Ludendorff als den „‚Kriegsverlängerer“. In Deutschland hat die Sozial- 
demokratie während eines halben Jahrhunderts unausgesetzt und bewußt 
gegen den „Militarismus“ agitiert und damit gegen die Sicherheit und 
Wohlfahrt des Vaterlandes, die in erster Linie auf unserer Wehrmacht 
beruhten. Die Konsequenz solcher selbstmörderischen Taktik zeigte sich 
wie im letzten Kriegsjahr an der Front so auch im Falle Klüber. 
Auf politischem wie auf religiösem Gebiet standen sich in Halle während 
meiner Schulzeit die Parteien schrofler gegenüber als an den meisten anderen 
deutschen Universitäten. Der Führer der Konservativen, der llistoriker 
Heinrich Leo, ein scharfer Preuße und strenger Orthodoxer, ein Kreuz- 
zeitungsmann, wie man damals sagte, war in weiten Kreisen bekannt durch 
seine geflügelten Worte über den Hecht im Karpfenteich, womit er 
Napoleon III. meinte, über das „‚skrofulöse Gesindel“, was auf die Demo- 
kraten und Revolutionäre ging, und vom „frisch-fröhlichen Krieg“, der das 
skrofulöse Gesindel zertreten sollte. Leo hat eine schöne Geschichte der 
italienischen Staaten geschrieben. Seine Selbstbiographie „Aus meiner. 
Jugendzeit‘“ zeugt von starkem Naturgefühl und ursprünglich eigenem 
Sinn. In der entgegengesetzten Richtung wie Heinrich Leo hatte sich in 
Halle Arnold Ruge betätigt, der in seiner Jugend als Lehrer am Pädchen 
wirkte, später mit Theodor Echtermeyer, gleichfalls Lehrer am Pädagogium, 
die „Halleschen Jahrbücher“ in radikaler Richtung leitete. 1849 nach 
London geflohen, trat er dort Mazzini, Ledru-Rollin und Karl Marx nahe 
und betätigte sich in der revolutionären Propaganda, erklärte sich aber im 
Frühjahr 1866, zum Entsetzen der Demokraten und vor allem der Hallenser 
Demokratie, für die Politik Bismarcks. Sein Freund Lothar Bucher war 
schon früher den gleichen Weg gegangen. Eine vermittelnde Richtung ver- 
trat der Professor der Theologie August Tholuck, ein eifriger Vorkämpfer 
Leo und Ruge
	        
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