Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

ETWAS YORCK SPIELEN 89 
deutschen Geschicke, spricht deutlich aus einem Brief, den er am 9. Juni 
an den damaligen General, späteren Feldmarschall von Manteuffel 
richtete und den ich folgen lasse, weil er meines Wissens noch nicht 
veröffentlicht worden ist: „Verehrteste Exzellenz! Bekannt mit Ihrer, noch 
bei Gelegenheit der letzten vertraulichen Österreichisch-Gablenzischen 
Friedensunterhandlung ausgesprochenen Überzeugung, daß wir aus allen 
politischen, soldatischen, finanziellen Gründen den Krieg schnell aufnehmen 
müssen, wo er sich bietet, war ich darauf gefaßt, daß schon mein die In- 
struktion ankündigendes Telegramm No. 51 Sie zum Handeln im obigen 
Sinne veranlassen würde, und sah wichtigen Nachrichten im Laufe des 
gestrigen Tages entgegen. Die Meldung von dem freundschaftlichen Tone 
der beiden Musiker bei den militärischen Chasses-croises geben keine 
Harmonie mit der Stimmung, die hier die Nachricht vom ersten Kanonen- 
schuß erwartete. Sie sagen, die Besitznahme würde als Gewalttat die 
Gemüter verwirren, ich antworte Ihnen mit Deveroux: ‚Freund, jetzt ist’s 
Zeit, zu lärmen!‘ Und wenn wir es nicht tun, so verrücken Sie nicht nur 
mir, aus militärischer Courtoisie für Gablenz, das europäische Konzept, 
sondern Sie werden in der Armee außer dem Württemberger niemand mehr 
finden, der Verständnis für Ihr Verfahren behält. Jede drei Tage kosten 
uns zwei Millionen, die wir auf lange nicht haben, denn wir leben nicht wie 
Österreich auf Kosten unserer Gläubiger; jede drei Tage bringen Österreich 
fünftausend Mann Bundestruppen mehr zugute, der Wind steht uns in allen 
europäischen Richtungen günstig, man erwartet, daß wir handeln, findet 
es heut natürlich, in acht Tagen vielleicht nicht mehr. Ich hatte gehofft, 
Sie würden in Betracht aller dieser Momente dort sogar etwas ‚Yorck‘ 
spielen, aber Sie haben jetzt den präzisen königlichen Befehl, zu handeln, 
und wenn Sie ihn nicht ausführen so schleunig, wie unsere Gesamtpolitik 
es verlangt, so tun Sie Preußen meines Erachtens schweren Schaden. 
Fallen wir wieder auf den Sumpf der Halbhuberei und des Kondominats 
zurück, so wird es uns schwer werden, einen so günstigen Kriegsfall wie 
den jetzigen rechtzeitig wiederzufinden. Wäre damit die Möglichkeit 
ehrlichen Friedens gegeben, so wollte ich mich herzlich freuen. Dazu aber 
ist jede Hoffnung geschwunden; die Wiener ziehn uns an der Nase herum, 
bis sie und ihre Bundesgenossen fertig sind, um dann loszuschlagen oder 
um uns wieder als Händelsucher erscheinen zu lassen, wenn der jetzige in 
London, Paris und Petersburg vorhandene Eindruck ihres Vertragsbruchs 
geschwunden sein wird. Einige Äußerungen von Gablenz’ Bruder lassen 
mich fast besorgen, daß man die herausfordernde Ständeberufung vor 
Montag zurücknehmen werde, und dann fehlt uns ein ins Auge springender 
Beweis unserer Berechtigung zur Aktion. Entweder der Gasteiner Vertrag 
ist gebrochen oder nicht; ist er es nicht, so dürften wir auch nicht einrücken, 
Bismarck 
an Edwin 
Moanteuffel
	        
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