90 EIN WALLENSTEIN-ZITAT
ist er es, so dürfen wir auch weiter gehen. Letzteres glaubt jetzt jedermann
im In- und Auslande, auch in Wien; warten wir, so gewinnt die öster-
reichische Lüge wieder Oberwasser. Ich erhalte eben glaubwürdige Nach-
richt aus Süddeutschland, daß Österreich mit Rüsten im eigenen Land
nicht fertig ist und deshalb der Befehl von Wien ergangen, daß Gablenz
uns noch mit Freundlichkeiten hinhalten soll. Ich werde bei Seiner Majestät
darauf antragen, daß wir, unabhängig von der bei Ankunft dieser Instruktion
gewiß schon von Ihnen vollzogenen Besitznahme Holsteins, von Gablenz
die Räumung fordern, sobald der Landtag am Montag zusammentritt; be-
schließt der Landtag Proklamation Augustenburgs, so ist es Ihre Aufgabe,
dieses zu hindern, auch mit Gewalt, sonst wahren Sie des Königs Rechte
nicht; ich hoffe aber, Ihnen, wenn Sie es wünschen, bis Montag abend noch
den positiven Befehl zu schaffen, für diesen Fall sofort die Räumung
Holsteins von den Österreichern zu erzwingen. Ich muß schließen. Verzeihn
Sie den sonstigen Stil des Briefes, aber Ihr Telegramm hat mir heut früh die
Nerven gelähmt, und jetzt reagieren sie. In großer Eile, aber in alter
Freundschaft der Ihrige, gez. v. Bismarck.“
Die Nachschrift des Briefes, von Bismarck selbst geschrieben, lautet:
„ich that’s mit Widerstreben,
Da es in meine Wahl noch war gegeben;
Nothwendigkeit ist da, der Zweifel flieht,
Jetzt fecht ich für mein Haupt und für mein Leben.
(Er geht ab, die andern folgen.)“
Charakteristisch für Bismarck ist die psychologische Geschicklichkeit,
mit der er in diesem Moment größter Spannung und Erregung, in solcher
Sturmflut der Ereignisse den General Manteuffel zu nehmen weiß. Die
Lieblingslektüre des Generals Edwin von Manteuflel war Schillers ,„Wallen-
stein“. Er glaubte, in sich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Friedländer zu
fühlen. Darum wird ihm gegenüber zweimal Wallenstein zitiert. Der in dem
Brief genannte „Württemberger“ ist der damalige Kommandierende Ge-
neral des Gardekorps, Prinz August von Württemberg, der zwar ein durch-
aus loyaler preußischer Offizier war, aber als süddeutscher Prinz den Krieg
zwischen Preußen und seiner engeren Heimat nicht gerade mit Vergnügen
sah. Spricht aus diesem Schreiben die volle Entschlossenheit und die ganze
Energie des leitenden Staatsmannes, so muß andererseits immer wieder
betont werden, mit welcher Umsicht, Vorsicht und Geschicklichkeit er
gleichzeitig bemüht war, seinem Lande die günstigsten Chancen zu ver-
schaflen, Rückschlägen vorzubeugen, die von ihm nie unterschätzten
Imponderabilien in sein Spiel zu bringen. Niemand wußte besser als
Bismarck, daß mit Energie allein noch nicht alles gemacht ist. Er war