Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Graf Moritz 
Esterhäzy 
94 COSAS DE AUSTRIA 
alten Campi Raudii, wo so manches Mal Germanen und Romanen mitein- 
ander gerungen hatten, wo ein Jahrhundert vor Christi Geburt die Cimbern 
besiegt wurden, für eine verlorene Sache fechten zu lassen? Diese Frage 
habe ich fast dreißig Jahre später an einen österreichischen Minister des 
Äußern, den Grafen Kälnoky, gerichtet. Ich war damals junger Gesandter 
in Bukarest. Wenn ich auf der Reise von Bukarest nach Berlin durch Wien 
kam, wurde ich von dem k. und k. Minister des Äußern fast immer mit einer 
Einladung zum Diner beehrt. Graf Gustav Kälnoky, der mir wohlwollte, 
pflegte bei solchen Anlässen mit mir unter vier Augen politische Vorgänge 
der Gegenwart und der Vergangenheit freimütig zu besprechen. Als ich ihn 
frug, warum Österreich 1866 von vornherein auf Venetien verzichtete, aber 
nichtsdestoweniger einen großen und tüchtigen Teil seiner Kräfte statt in 
Böhmen in Oberitalien eingesetzt habe, erwiderte mir der Minister: „Man 
spricht in Spanien von cosas de Espaüia, d. h. von Dingen, die nur der 
Spanier versteht. So gibt es auch cosas de Austria, d. h. Vorgänge, die sich 
nur ein geborener Österreicher erklären kann. Unser Minister des Äußern 
von 1866, der verständige Graf Alexander Mensdorff, wollte, wie dies die 
einfache Vernunft gebot, die Front nur gegen Preußen nehmen. Er hatte 
auch Kaiser Franz Josef für diese Auffassung gewonnen. Als Graf Moritz 
Esterhäzy, Minister ohne Portefeuille, aber durch seine Beziehungen bei 
Hofe und mit der Geistlichkeit der Einflußreichste im Konseil, hiervon 
hörte, begab er sich in die Hofburg und erklärte dem Kaiser, Ehre und 
Religion geböten, gegen die Italiener zu fechten: nicht etwa, um Venetien 
zu behaupten oder gar die Lombardei wiederzugewinnen, denn der italie- 
nische Traum sei für Österreich endgültig ausgeträumt, sondern um nach 
einem Siege Österreichs über die Italiener dem Papste die ihm 1860 wider- 
rechtlich entrissenen Gebiete des Kirchenstaats zurückzugeben und ihm 
jedenfalls das Patrimonium Petri zu sichern. So ging das Verhängnis seinen 
Gang.“ 
Der von Kälnoky erwähnte Moritz Esterhäzy, den man, weil er 
hinter den Kulissen zu agieren und zu intrigieren liebte, in Wien den 
„heimlichen Moritz“ nannte, wurde viele Jahre später nach widerlichen Ver- 
fehlungen für geistesgestört erklärt und nach Pirna in eine Maison de sante 
gebracht, wo er starb. Seine fromme Frau ging, um für die Sünden ihres 
Gatten Sühne zu leisten, in das Kloster der unbeschuhten Karmeliterinnen 
zu Maierling. Der Enkel des Ministers von 1866 war jener Graf Esterhäzy, 
dem der letzte österreichische Kaiser, der Kaiser Karl, nach seiner Thron- 
besteigung im Jahre 1916 an Stelle des in langen Kämpfen bewährten 
Grafen Tisza die Leitung des Regnum Apostolicum anvertraute. Er hat in 
dieser Stellung durch Leichtsinn und Unerfahrenheit erheblich zum end- 
gültigen Untergang der habsburgischen Monarchie beigetragen.
	        
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