Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

EIN GEGNER BISMARCKS 97 
Redern diente als Paravent. Er hat später als Obergewandkämmerer am 
königlichen Hofe noch ersprießliche Dienste geleistet. 
In London war Preußen im Jahre 1866 durch den Botschafter Graf 
Albrecht Bernstorff vertreten. Sowohl Paris wie London waren damals 
bereits Botschaften. Graf Bernstorff war sechs Jahre älter als Bismarck. 
Er war schon 1845 Gesandter in München, 1848 unter schwierigen Verhält- 
nissen in Wien, von 1850 bis 1861 in London gewesen. Von 1861 bis 1862 
war er, unmittelbar vor Bismarck, Minister des Auswärtigen, um dann 
wieder die Londoner Mission zu übernehmen. Er mag nicht immer mit 
seinem Nachfolger einverstanden gewesen sein, er mag hier und da als der 
Ältere und, wie er glaubte, Erfahrenere über ihn den Kopf geschüttelt 
haben. Aber er tat seine Pflicht als preußischer Vertreter und hatte in 
London eine sehr gute Stellung. Den 1866 wichtigsten Posten, den Pariser 
Posten, bekleidete Botschafter Graf Robert Goltz. Bismarck hatte mit 
ihm in den fünfziger Jahren freundliche Beziehungen unterhalten, sich aber 
dann mit ihm, wie mit manchen anderen, überworfen. Er sah seitdem in 
Goltz einen persönlichen Gegner, und das traf wohl auch zu. Bismarck er- 
zählte gern, daß Goltz im Jahre 1866 sein Urteil über seinen Chef in die 
Worte zusammengefaßt habe: „Nun macht dieser Kerl, dieser Bismarck, 
meine Politik, aber er macht sie falsch !““ Das alles hinderte Goltz nicht, ein 
sehr geschickter Diplomat, im Gegensatz zu Werther und Redern, ein 
klarer und scharfer Preuße zu sein. Bismarck selbst hat einmal die Diplo- 
matie definiert als „Arbeit in Menschenfleisch“. Die Aufgabe des Diplo- 
maten bestünde oft darin, den anderen dahin zu bringen, das zu tun, was 
für diesen vielleicht von zweifelhaftem Nutzen, für den Diplomaten aber 
von Vorteil sei. Alle diejenigen, die im Schicksalsjahr 1866 unter Goltz an 
der Preußischen Botschaft in Paris arbeiteten, Eberhard Solms und Joseph. 
Radowitz, Alexander Lynar und der damalige Major, spätere Generalfeld- 
marschall Walter Lo&, haben mir gesagt, daß es in erster Linie das Verdienst 
des Grafen Goltz war, wenn Frankreich im Jahre 1866 so lange neutral 
blieb, wie wir seine Neutralität brauchten. Goltz habe seinen großen Einfluß 
sowohl auf Kaiser Napoleon III. wie auf die Kaiserin Eugenie und den 
Prinzen Jeröme Napoleon, seine zahlreichen Beziehungen in allen Kreisen 
der Gesellschaft wie in der Presse tatkräftig und gewandt benützt, um 
Frankreich von einer Intervention vor Sadowa abzuhalten. Er hat sich um 
Preußen wohl verdient gemacht. Von einer unheilbaren Krankheit befallen, 
mußte Goltz, nicht lange nach dem Nikolsburger Frieden, seinen Abschied 
nehmen und ist nach qualvollen Leiden vor 1870 gestorben. 
Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß Fürst Bismarck seine Politik von 
1862 bis 1871 nach einem von vornherein in allen Einzelheiten entworfenen 
und dann konsequent verfolgten Programm geführt hätte. Er hat sich nach 
T Bülow IV 
Graf Albrecht 
Bernstorff 
Graf 
Robert Golt:
	        
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