Bismarck
beendet
den Konflikt
104 KÖNIGGRÄTZ
aber schuldeten wir der Vorsehung Dank, die über das Werk des frommen
August Hermann Francke die schützende Hand gehalten hatte. Das Wahr-
zeichen der Stiftung, der zur Sonne steigende Adler mit dem tröstenden und
aufrichtenden Spruch des größten Propheten des Alten Bundes (Je-
saias 40, 31), hatte sich wieder einmal bewährt.
Einen dauernden Eindruck machten mir die österreichischen Gefan-
genen, die in der Moritzburg untergebracht waren. Die Moritzburg, im
Norden der Stadt gelegen, war eine alte Feste, die einst die Residenz der
Erzbischöfe von Magdeburg gewesen war, später, im Dreißigjährigen Krieg,
durch Brand zerstört und seitdem zu militärischen Zwecken benutzt wurde.
Die in der Moritzburg eingesperrten Ungarn, Kroaten, Italiener, Tschechen
und Slowaken begrüßten alle Vorübergehenden mit: „Eljen!“ „Zivio!“
„Evviva!“ usw., um ein paar Groschen zu erbetteln, wofür sie sich wiederum
durch Hochrufe auf Preußen und Schimpfen auf Österreich in allen Sprachen
erkenntlich erwiesen. Die Brüchigkeit der habsburgischen Monarchie wurde
mir zum erstenmal klar.
Königgrätz (Dem König gerät’s! — wie man in Preußen im Sommer 1866
sagte) war wohl der größte und glücklichste Tag im Leben des Fürsten Bis-
marck. Dieser Sieg war der Lohn unermeßlicher Mühen, schwerer Gefahren,
eines heroischen Mutes. Königgrätz enthüllte auch für das blödeste Auge
das Genie des Staatsmanns, der den Verfassungskonflikt zugunsten der
Krone beendigt hatte. Der „Kladderadatsch‘“ vom 12. August 1866 brachte
ein Bild, das einen Käfig darstellt, an dem eine Tafel hängt. Sie trägt die
Inschrift: „„Conflictus internus, vier Jahre alt.““ Das Raubtier im Käfig
steckt mit seiner Tatze einen Zettel heraus, auf dem steht: „Indemnität.‘“
Vor dem Käfig Graf Bismarck. Er hält dem Tier einen riesigen Lorbeer-
kranz entgegen, auf dessen Blättern steht: „Königgrätz, Gitschin, Skalitz,
Nachod, Aschaffenburg.“ Das Bild des „Kladderadatsch‘ trug die einfache
Überschrift: „‚Bilder ohne viele Worte.“
Gleichzeitig mit dem inneren Verfassungskonflikt hatte Bismarck den
hundertjährigen preußisch-österreichischen Streit um die Vorherrschaft in
Deutschland zugunsten des Hauses Hohenzollern siegreich durchgefochten,
und in der Ferne winkte die Einigung des deutschen Volkes durch die
Hohenzollern und die Kaiserkrone auf dem Haupte eines Hohenzollern.
Aber auch hier war es gut, daß die Gottheit die Zukunft selbst dem schärf-
sten Auge nicht ganz enthüllt. Wer dem Ministerpräsidenten Graf Bismarck
am Abend des 3. Juli 1866 vorausgesagt hätte, daß der Enkel und Nach-
folger des alten Königs Wilhelm I. von Preußen, der dank der genialen
Politik seines Ministers Otto von Bismarck im Kampfe um die Hegemonie
in Deutschland Sieger geblieben war, daß Wilhelm II. an den bei König-
grätz besiegten Kaiser Franz Josef von Österreich sechsundzwanzig Jahre