Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER BROCKEN 105 
später ein für Bismarck kränkendes, ihn schmähendes und demütigendes 
Handschreiben richten würde, das dem großen alten Mann die Gemächer 
der Hofburg verschloß, der hätte dem wahren Sieger von Sadowa die Sieges- 
freude wohl stark vergällt. 
Im Herbst 1866 frug mich Professor Daniel, ob ich schon einmal im 
Harz gewesen sei. Als ich dies verneinte, meinte er, das müsse ich schnell 
nachholen, namentlich möge ich den Brocken besteigen. ‚„‚Schon weil Goethe 
einen Faust geschrieben hat, muß jeder Deutsche auf den Brocken.“ Ich 
fuhr also nach dem Harz, begleitet von meinem Bruder Adolf. Wir sind auf 
den schönen Straßen, die den Harz durchschneiden, wacker marschiert. Ich 
habe nicht die Absicht, nach Goethe und nach Heine eine Harzreise zu 
beschreiben. Ich will auch nicht die ganze Ode des Grafen Friedrich Leopold 
Stolberg zitieren, die wir auswendig lernen mußten und in der er das ‚‚werte 
Cheruskerland““ begrüßt, dem Mutter Natur aus der vergeudeten Urne 
männlichen Schmuck verlieh. Ich will nur feststellen, daß uns jungen 
Leuten, die wir den lieblichen Taunus, den Odenwald und den Schwarzwald 
für die schönsten Gebirge der Welt hielten, auch der Harz einen mächtigen 
Eindruck machte. Selbst an historischem Interesse stand er nicht hinter 
Süddeutschland zurück. Die Sachsen- und Franken-Kaiser stiegen vor uns 
auf, als wir die Warten an den Abhängen des Harzes sahen, als wir in Qued- 
linburg das Grab des ersten Heinrich, als wir in Goslar, der alten Kaiser- 
stadt, und in Harzburg der mittelalterlichen Geschichte unseres Volkes ge- 
dachten. Und der Brocken konnte es wohl mit dem Feldberg und selbst mit 
dem Altkönig aufnehmen. Während wir uns dem Gipfel näherten, wurde 
natürlich Faust zitiert: 
Seh die Bäume hinter Bäumen, 
Wie sie schnell vorüberrücken, 
Und die Klippen, die sich bücken, 
Und die langen Felsenmassen, 
Wie sie schnarchen, wie sie blasen! 
Angesichts der Gegend von Schierke und Elend, in die Goethe seine 
Walpurgisnacht verlegt, dachten wir lachend daran, daß ein französischer 
Übersetzer des „Faust“ das kürzlich übersetzt hatte mit: „Le paysage 
respire la friponnerie et la misere.‘“ Wir hatten Glück und genossen oben 
eine herrliche Aussicht. Das Erzgebirge konnten wir freilich nicht erblicken, 
das uns ein Leipziger unterwegs in Aussicht gestellt hatte, noch weniger die 
Nord- und die Ostsee, die ein Berliner gesehen haben wollte. Aber vor uns 
lag Magdeburg, der Thüringer Wald und die Elbe. Außer der Besteigung 
des Brockens hatte uns unser Lehrer die Besichtigung der Roßtrappe ans 
Herz gelegt. Er hielt den Blick, den man, aus dem Walde heraustretend, 
Reise 
in den Harz
	        
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