Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

ITALIEN 123 
schwarze Felsentor und das heitere Tal von Andermatt. Von Göschenen 
wandte ich mich zum Rhonegletscher und zur Furka, dann zum Berner 
Oberland, wo ich die große und die kleine Scheidegg, die Wengernalp, den 
Niesen, das Faulhorn bestieg. Ich gelangte über Grindelwald und Lauter- 
brunnen, Kandersteg und Leuk nach dem Rhonetal. Hier wurde mir das 
Marschieren sauer. Es war sehr heiß, die Straße war staubig, die Stech- 
mücken quälten. Ich blieb aber meinem Vorsatz treu, in der Schweiz nicht 
zu fahren. Ich wurde entschädigt, als ich, nachdem ich in Visp die Simplon- 
straße verlassen hatte, auf einem schattigen Weg, dicht an der brausenden, 
grauweißen Visp, das Brunneghorn, das Weißhorn, das Rothorn, endlich 
das gewaltige Matterhorn vor mir, in Zermatt anlangte. Die Riffelalp und 
der Gornergrat erschienen mir als die schönsten Punkte der Schweiz. Von 
hier aus unternahm ich noch einige Bergpartien, die sich ohne größere 
Schwierigkeiten bewältigen ließen. Dann ging es zurück nach Visp. Ich trat 
voller Erwartung den Marsch über den Simplon an, die Straße nach dem Über den 
Süden, nach Italien. Die ganze Landschaft stelıt mir so deutlich vor Augen, Simplonpaß 
als hätte ich gestern den Simplonpaß überschritten. Der Lauibach und die 
Schlucht von Gondo wurden passiert, Paglino und Iselle zogen vorüber, 
Domodossola wurde erreicht. Zum erstenmal in meinem Leben war ich in 
Italien. 
In seinem Requiem auf den Fürsten Karl Josef Ligne läßt Goethe an die 
Bahre dieses geistvollen Grandseigneurs, den er den frohesten Mann des 
Jahrhunderts nennt, auch Italia treten und zu ihm sprechen: 
Auch mich hast du besucht; 
Du mußt’s bedenken! 
Was ich vergeude, 
Niemand kann es schenken. 
Das Wehn der Himmelslüfte, 
Dem Paradiese gleich, 
Des Blumenfelds Gedüfte, 
Das ist mein weites Reich. 
Das Leben aus dem Grabe 
Jahrhunderte beschließt; 
Das ist der Schatz, die Habe, 
Die man mit mir genießt. 
Ich ahnte nicht, wie viele Winter ich in dem Bel pa&öse zubringen würde. 
Ich ahnte noch weniger, daß ich dort in meiner geliebten Frau das Glück 
meines Lebens finden würde.
	        
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