130 DER KRIEG MIT FRANKREICH
Das Zirkulartelegramm lautete:
„12. Juli. Telegramm aus Ems.
Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohen-
zollern der Kaiserlich Französischen Regierung von der Königlich Spanischen
amtlich mitgeteilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an
Seine Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren,
daß er nach Paris telegraphiere, daß Seine Majestät der König sich für alle
Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die
Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten. Seine
Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den Botschafter nochmals
zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen
lassen, daß Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen
habe.“
Die sogenannte Emser Depesche ist vielleicht der genialste diplomatische
Bismarcks Schachzug in der politischen Laufbahn des größten deutschen Staats-
Schachzug mannes. „Man spürt ein Rauschen überm Haupt und ein Wehen an der
Wange hin, so oft seine Gestalt den Gedanken vorübergeht“, schrieb über
Bismarck am 24. Januar 1887 der Professor Alfred Dove, kein Bismarck-
Schwärmer, an den Dichter Gustav Freytag, einen Bismarck-Gegner. Mit
einem Schlage korrigierte Bismarck die Blöße, die sich in edelster Absicht,
aber in zu weit getriebener Courtoisie der alte König in Ems gegenüber dem
französischen Botschafter Benedetti gegeben hatte. Bismarck hob die Streit-
frage der spanischen Thronkandidatur hoch empor über diplomatisches
Gezänk, zeigte der Nation, daß es um die deutsche Ehre ginge, die von dem
alten Preußenkönig gewahrt worden sei, und entfachte damit den Sturm
der Begeisterung, der von Memel bis Konstanz durch ganz Deutschland
ging. Diese Begeisterung fand ihren mächtigen Ausdruck in der „Wacht
am Rhein“, die, im November 1840 gedichtet, seitdem fast vergessen, nach
dreißig Jahren ihre Auferstehung feierte. Unauflöslich verknüpft mit der
Erinnerung an das glorreiche Jahr 1870 ist die „Wacht am Rhein“ für alle
Zeiten eingeschreint in das Herz des deutschen Volkes.
Bismarck hat den Krieg mit Frankreich nicht herbeigeführt, ihn nicht
einmal gewollt. Wenn das französische Volk die deutsche Einigung
akzeptiert, wenn es die Gleichberechtigung Deutschlands anerkannt hätte,
würde Bismarck nicht daran gedacht haben, einen Krieg zu beginnen, um
das Deutschland im siebzehnten Jahrhundert geraubte Elsaß wiederzu-
gewinnen. Als aber klar zutage trat, daß die Franzosen die Gleich-
berechtigung Deutschlands nicht ertragen konnten, daß sie, die ihre eigene
Einigung und damit die ungeheuren Vorteile der Einheit schon vor Jahr-
hunderten erreicht hatten, uns unsere Einigung nicht gönnten und die
deutsche „Libertät“, d.h. die Zerrissenheit Deutschlands, perpetuieren