Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Rouher 
über Rom 
152 EIN VERHÄNGNISVOLLES „NIEMALS“ 
das „revolutionäre“ Italien, ja die in sechs Jahrhunderten oft bewährte 
Treue für den Heiligen Stubl in den Elintergrund gedrängt. Die Tochter des 
Erzherzogs Albrecht, die junge Erzherzogin Mathilde, sollte den Kron- 
prinzen Humbert von Italien heiraten, und sie würde ihn geheiratet haben, 
wenn das arme Mädchen nicht auf den unglücklichen Einfall geraten wäre, 
im Ballkleid eine Zigarette zu rauchen, mit dieser ihre duftige Abendtoilette 
in Brand gesetzt hätte und unter entsetzlichen Schmerzen gestorben wäre. 
Es lag auf der Hand, daß die italienische Kooperation nur zu erreichen war, 
wenn Italien der Besitz von Rom zugesichert wurde. Hierzu konnte sich 
Napoleon Ill. nicht entschließen, vor allem nicht aus Rücksicht auf seine 
bigotte Gattin, die ausrief: „Plutöt les Prussiens a Paris que les Italiens 
a Rome!“ Dazu kamen Gründe innerer französischer Politik, die Scheu vor 
den Klerikalen im eigenen Lande, vor dem Bischof von Orleans, dem streit- 
baren Monseigneur Dupanloup, und vor dem Redakteur des ultramontanen 
„Univers“, dem noch streitbareren Louis Veuillot. Schon im Herbst 1867 
wurde die Römische Frage wieder akut. An der Spitze eines kleinen Heeres 
von Freiwilligen rückte Garibaldi in den Kirchenstaat ein. Die Bevölkerung 
erklärte sich überall für den Anschluß an Italien, riß die päpstlichen Em- 
bleme herunter und pflanzte statt ihrer die grün-weiß-rote italienische Tri- 
kolore auf. Am 3. November kam es bei Mentana zum Gefecht zwischen den 
Rothemden und den französischen Truppen, die Kaiser Napoleon dem 
Papst zu Hilfe gesandt hatte. Die Freiwilligen Garibaldis wurden von den 
Franzosen, die mit dem neuen französischen Gewehr, dem viel gerühmten 
Chassepot, ausgerüstet waren, leicht besiegt, zusammengehauen oder als 
Gefangene nach Rom abgeführt. 
Am 5. Dezember fand in Paris im Gesetzgebenden Körper die entschei- 
dende Debatte über die Römische Frage statt. Der Staatsminister Rouher, 
der mächtigste Minister des Second Empire, der Vice-Empereur, wie er 
ironisch genannt wurde, antwortete auf die Frage, ob Frankreich den 
Italienern erlauben werde, sich der Ewigen Stadt zu bemächtigen, mit 
einem dreifachen „Nein, nein, niemals!“ Im offiziellen Sitzungsbericht 
wurde diese kategorische Erklärung wie folgt wiedergegeben: „Wir erklären 
im Namen der französischen Regierung: Italien wird sich Roms nicht be- 
mächtigen! (Stürmischer Beifall.) Nein! Niemals! (Sehr viele Stimmen: 
‚Niemals, niemals!“) Niemals wird Frankreich diese Gewalttat gegen seine 
Ehre und gegen den Katholizismus ertragen!“ (Nochmaliger, nicht enden- 
wullender Beifall der Kammer.) Bei der nun folgenden Abstimmung hatten 
nur siebzehn Abgeordnete gegen die Regierung und deren Standpunkt in 
der Römischen Frage gestimmt, zweihundertsiebenunddreißig für sie, unter 
diesen auch Thiers, im übrigen kein Freund des Kabinetts Rouher wie des 
Zweiten Kaiserreichs, aber ein unentwegter Gegner des italienischen
	        
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