Die
Haltung
Sachsens
164 BISMARCK UND ANDRÄSSY
stammenden Darmstädter Biegeleben an antipreußischem Fanatismus
noch übertrafen.
Der von den Franzosen vorgeschlagene, von ihren Freunden in Wien
angenommene Plan ging dahin, daß die Österreicher in Sachsen und
Schlesien einrücken sollten. In Sachsen hoffte Beust, auf Grund seiner
dortigen alten Beziehungen, auf Entgegenkommen und Unterstützung,
irrte sich aber darin vollständig. Sowohl der weise und loyale König Johann
wie sein als Feldherr und als Staatsmann gleich hervorragender Sohn, der
damalige Kronprinz, spätere König Albert, wie der besonnene und loyale
Minister des Äußern, Freiherr von Friesen, standen in unerschütterlicher
Treue zu den 1866 mit Preußen abgeschlossenen Verträgen und zum
deutschen Vaterlande. Als ein von den Franzosen bezahltes Leipziger Blatt,
ich glaube, es hieß „Sächsische Zeitung‘, auch nach der Drohrede des
Herzogs von Gramont und dem Benedettischen Erpressungsversuch in
Ems in seiner Propaganda für Frankreich fortfuhr, zogen Studenten vor die
Redaktion, zerstörten die Druckerei und verprügelten die bezahlten
Schufte, die das Blatt redigierten. Das wirkte in ganz Sachsen herz-
erfrischend. Zu einem Abfall der Sachsen kam es ebensowenig wie zu einem
österreichischen Einfall in Schlesien.
Der zwischen Paris und Wien erörterte Plan, daß die Italiener durch
Tirol nach Bayern vorstoßen, die Süddeutschen am Zusammengehen mit
den Norddeutschen verhindern und dann den vorrückenden Franzosen am
Oberrhein die Hand bieten sollten, scheiterte an der Strategie von Moltke
und an der Politik von Bismarck. Als General von Schweinitz die für uns
recht üble Situation in Wien pflichtgemäß und der Wahrheit entsprechend
in seinen Berichten schilderte, erhielt er von Bismarck einen monumentalen
Brief, in dem es etwa hieß, der preußische Vertreter in Wien möge aufhören,
Seiner Majestät dem König das Herz schwerzumachen, wo auf Allerhöchst-
demselben ohnehin viele andere und schwere Sorgen lasteten. Er möge
lieber Beust und Konsorten mit der Drohung einschüchtern, daß, wenn
die habsburgische Monarchie dem für sein Leben fechtenden deutschen Volk
in den Rücken fallen sollte, er, Bismarck, zu seiner Verteidigung jedes
Mittel in Anwendung bringen würde. Flectere si nequeo superos Acheronta
movebo. Schweinitz möge Verbindung mit der deutsch-österreichischen
Jugend suchen, damit sie ein militärisches Vorgehen Österreichs an der
Seite des französischen Erbfeindes gegen die Deutschen im Notfall durch
Putsche und Komplotte verhindere. Vor allem suchte und fand Bismarck
Verbindung mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Andrässy, dem er
durch einen Vertrauensmann sagen ließ, wenn Deutschland mit Österreichs
Hilfe durch die Franzosen besiegt werde, stehe Ungarn vor dem Dilemma,
sich entweder wieder in den habsburgischen Gesamtstaat einzufügen, um,