Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DIE IMPONDERABILIEN 171 
Offiziere und Mannschaften, vom letzten Trommler bis zu Hindenburg, 
Mackensen, Eichhorn, Ludendorff, Below, Woyrsch, Mudra, Marwitz, 
Scholz, Litzmann, Krafft von Dellmensingen, bis zum Kronprinzen 
Ruprecht und dem Prinzen Leopold von Bayern, bis zum Kronprinzen 
von Preußen und seinen tapferen Brüdern, für Scheer und Spee, Weddigen 
und Dohna-Schlodien, für alle Männer im Schützengraben und in den 
U-Booten, für sie ist kein Lob rühmlich, kein Ehrenkranz schön und reich 
genug. Aber während in Rom, Paris und London das Volk vom Staats- 
oberhaupt bis zum Bauern und Arbeiter zum Denkmal des Miles Ignotus 
pilgert, dort Kränze niederlegt und Gebete verrichtet, erinnert in Deutsch- 
land noch kein Nationalmonument an die Millionen deutscher Helden des 
Weltkrieges. Und wo die Pietät der Regimentsverbände solche in be- 
scheidener Form errichtete, suchten deutsche Kommunisten ruchlos bei 
uns auch die schlichteste Erinnerungsfeier zu stören. 
Als Gramont am 6. Juli 1870 mit seinem Trompetenstoß im Corps 
legislatif die Welt aufscheuchte, stand uns England kühl gegenüber, 
während Österreich und Italien mit Frankreich weitgehende diplomatische 
und militärische Abmachungen gegen uns getroffen hatten. Wie kam es, 
daß uns doch keine Großmacht in den Arm fiel? Das war das Verdienst der 
Bismarckschen Politik, der genialen Geschicklichkeit, mit der er sofort beim 
Beginn des Krieges die öffentliche Meinung auf unsere Seite und die 
Imponderabilien, jene Imponderabilien, die, wie ich wieder und wieder 
betonen möchte, der Politiker nicht hoch genug einschätzen kann, mit 
psychologischer Meisterschaft in unser Spiel gebracht hatte. Nachdem die 
Emser Depesche nicht nur alle Deutschen, bis auf einige unbelehrbare 
Querköpfe unter bayrischen, schwäbischen und Frankfurter Partikularisten, 
sondern auch weite Kreise des Auslandes davon überzeugt hatte, daß Frank- 
reich mit gallischer, traditioneller Überhebung uns provoziert hatte, 
nachdem Bismarck klug so operiert hatte, daß die Kriegserklärung von 
französischer Seite ausging, wir also die Angegriffenen, nicht die 
Angreifer waren, verstand es der große Staatsmann, den französischen 
Kaiser vor aller Welt völkerrechtswidriger Absichten und Anschläge gegen 
die Selbständigkeit und Neutralität von Belgien zu überführen. 
In der alten Zeit sprach man in Deutschland von dem „Musterländle“ 
Baden. Das war für liberale Weltanschauung insofern zutreffend, als Baden 
fast gleichzeitig mit Bayern, aber dreißig Jahre vor Preußen, ein konsti- 
tutioneller Staat geworden war, daß sich dort frühzeitig parlamentarisches 
Leben entwickelt hatte mit Kammerdebatten, Kammerreden und Kammer- 
größen, daß in Baden infolge historischer Entwicklung der kleine Grund- 
besitz überwog, daß es dort keine Junker und keinen Militarismus im 
preußischen Sinne gab. Die Verwaltung war eine moderne, Bürgertum und 
Die 
Großmächte
	        
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