XII. KAPITEL
Ins Feld » Biwak bei Metz »- Erste Briefe nach Hause »- Melderitte und Patrouillen
Major Lentze » Beförderung zum Gefreiten (15. XI. 1870) - Vormarsch nach Compitgne
1870 und 1918
s ging an das Einpacken der wenigen Gegenstände, die ich als Ge-
Aufbruch meiner mit ins Feld nehmen konnte: zwei wollene Hemden, zweı Paar
von Bonn wollene Strümpfe, zwei wollene Unterhosen, ein Paar Hausschuhe, eine
kleine Feldflasche mit Kognak, etwas Tee und Liebig, einen Feldstecher
und ein Schreibzeug. Auch ein neues Testament nahm ich mit, das mir meine
liebe Mutter bei meinem letzten Besuch mit der Ermahnung geschenkt
hatte, recht fleißig in Gottes Wort zu lesen. Auf das erste weiße Blatt
schrieb ich das Wort des heiligen Augustinus: „Inquietum cor nostrum
donec requiescat in te.“
Bevor ich von der Ersatz-Schwadron Abschied nehme, will ich der
Dankbarkeit Ausdruck geben, die ich ihr schulde, dem Stalldienst in der
Sterntorkaserne wie dem Exerzieren auf dem „Sand“. Wenn ich im Felde
meinen Mann gestanden habe und nach der Rückkehr in die Garnison ein
brauchbarer Husaren-Offizier wurde, so verdanke ich das in erster Linie
meiner Ausbildung bei der Ersatz-Schwadron. Major von Schreckenstein
hat sich von seinem schweren Beinbruch erst nach Jahr und Tag erhuvlt.
Er hat die Ersatz-Schwadron nicht mehr geführt. Wieder dienstfähig,
wurde er zum Kommandeur der 7. Ulanen ernannt und ist 1875 als solcher
in Saarbrücken plötzlich gestorben. Ein früher Abschluß nach einem
Leben, dessen verpfuschtes Ende in seltsamem Gegensatz zu seinem
brillanten Anfang stand. Der rote Schreckenstein gehört zu den vielen, die,
um schöne Stunden vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.
Als er in seiner eleganten Bonner Junggesellenwohnung, auf einer Chaise-
longue unter der „Danae‘ des Correggio ruhend, mich wenig freundlich
empfing, dürfte er kaum gedacht haben, daß der junge Student, der,
angegriffen durch die Oeynhauser Badekur, blaß und bescheiden vor ihm
stand, esim Laufe der Jahre nicht nur zum preußischen Ministerpräsidenten
und deutschen Reichskanzler, sondern sogar zum General bringen würde.
Ich erwähne das nur, damit dieser oder jener Jüngling, der mich einmal