Bei Soissons
’
Marsch bis
Auteuil
192 IN FRONT GEGEN WESTEN
stehenden Armeebefehl: ‚In der heutigen siegreichen Schlacht vor Amiens
ist dieim Vorrücken begriffene feindliche Armee auf Amiens zurückgeworfen
worden. Ich spreche der Armee meinen Dank aus und werde Seiner
Majestät dem Könige von der wiederum an den Tag gelegten Tapferkeit
Meldung erstatten.‘ Von einer Verfolgung des geschlagenen Feindes, die
alle erwarteten, nahm der Oberbefehlshaber Abstand. Rouen war das
Marschziel, das der Ersten Armee bei ihrem Aufbruch von der Oise durch
unsern großen Schlachtendenker Moltke vorgezeichnet worden war. So ging
es weiter auf die Hauptstadt der Normandie.
Am 1. Dezember setzte sich unsere Armee in breiter Front gegen Westen
in Marsch. Der erste Frost war eingetreten. Die Straßen waren hart-
gefroren. In den nächsten Tagen steigerte sich die Kälte. Am 16. November
hatte ich an meine guten Eltern geschrieben: „‚Ängstigt Euch, bitte, nicht
um mich. Es geht mir ausgezeichnet. Ich fühle mich sehr wohl, und finden
meine Bekannten, daß ich wohler als in Bonn aussehe. Ich habe besten Mut.
Und wenn es nicht Euretwegen wäre, könnte der Krieg meinetwegen noch
recht lange dauern.“ Zwei Tage später hatte ich aus Paslys bei Soissons
geschrieben: „Unberufen geht es mir sehr gut. Ich fühle mich ganz wohl,
und vor allem bin ich überzeugt, daß ich, wie wir alle, in Gottes Hand
stehe. Was Er will, wird sich erfüllen, mögen wir nun dies oder das wünschen.
Was Ruhr usw. betrifft, braucht Ihr Euch wirklich nicht zu ängstigen. In
Metz war allerdings Gefahr. Von denen, die überhaupt keinen Dienst tun
konnten, ganz abgesehen, waren gewiß drei Viertel des Regiments mehr oder
weniger krank. Ich hatte auch einen kleinen Anfall, ähnlich wie im Oktober
in Berlin, den ich aber mit drei scharfen Schnäpsen, hintereinander
getrunken, glänzend coupierte. Ob wir in nächster Zeit vor den Feind
kommen, wie wir das sehr wünschen, ist nicht gewiß. Unmöglich ist es
nicht, da es, trotzdem die Leute glauben, wir würden von Compiegne nach
Paris gehen, gewiß ist, daß wir auf Amiens gegen die französische Nurd-
armee unter Bourbaki marschieren. Daraus folgt aber nicht, daß wir gerade
zum Attackieren kommen, obwohl ich freilich für mich allein es brennend
wünsche. Auf jeden Fall bin ich in des lieben Gottes Hand.“
Am 25. November schrieb ich aus Faverolles bei Montdidier (Departement
de la Somme): „Vorgestern war ich mit Herrn von Schlichting und Graf
Beißel, einem Rheinländer, den ich schon in Berlin kannte, in Compitgne.
Wir hatten nämlich Ruhetag und freuten uns, aus Janville herauszu-
kommen, das ein ganz armes Nest ist, wo Kühe und Hafer unter Geheul
und Gejammer der ganzen Bevölkerung requiriert wurden. Compiegne ist
eine hübsche Stadt, eine Art französisches Potsdam, welchen Vergleich
wohl andere vor mir angestellt haben, da er auf der Hand liegt. Die Läden
sind recht elegant, und ich vervollständigte meine Equipierung durch eine