Die Schlacht
an der Hallue
beginnt
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gaßen Zeit und Raum, die ja auch nach Immanuel Kant nur Anschauungs-
formen sind, und wir umarmten uns in leidenschaftlicher Wallung. Der
Trompeter blies zum Appell. Er hatte schon zum zweitenmal geblasen, als
ich mich endlich losriß. Ich schwang mich auf mein Pferd, das mein Bursche
vor dem Hause am Zügel hielt.
Ich traf noch gerade zur rechten Zeit bei der Schwadron ein, aus deren
drei Zügen ein Flankenzug gebildet wurde, zu dem ich als Flügelunter-
offizier kam, Der Leutnant von Knesebeck, der vor dem Zuge ritt, winkte
mich heran und flüsterte mir zu: „Ich glaube, wir kommen zur Attacke.
Hinter der Mulde, durch die wir reiten, soll französische Infanterie liegen.“
Wenige Minuten später erblickten wir fünfzig bis sechzig französische
Tirailleure vor uns. Knesebeck hob den Säbel und kommandierte: ‚Zur
Attacke! Marsch! Marsch !“ Wir zwanzig Königshusaren schwenkten unsere
Säbel und schrien: „Hurra!“ Ein breiter, tiefer Graben, der zwischen uns
und den Franzosen lag, wurde von meiner hellbraunen Stute, der Grete,
fliegend genommen. Sie war würdig, den Namen des lieben Mädchens zu
tragen, dem zu Ehren ich sie Grete genannt hatte. Ich drückte ihr noch ein-
mal beide Sporen in die Weichen, und als erster landete ich unter den
Feinden. Einen Franzosen, der auf mich anlegte, ritt ich über und über.
Während ich ihm nachsah, der klagend und sich das Kreuz reibend, in der
Richtung des Waldes davonhumpelte, fühlte, erblickte ich auf der anderen
Seite in unmittelbarer Nähe die Spitze eines Bajonettes. Ich sah in ein
zorniges, in ein in hohem Grade erbostes und tückisches Antlitz. Ich bin
heute weit davon entfernt, dem Träger des mich bedrohenden Bajonettes
sein Mienenspiel übelzunehmen. Sein Gesichtsausdruck entsprach der
Situation. Mir wird es andererseits kein Vernünftiger verargen, wenn ich
mit voller Wucht, mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, meinem Gegner
über den Schädel hieb. Er schwankte und wankte, taumelte, brach zu-
sammen, röchelnd, tot.
Nachdem ich noch einen langen Blick auf den Leichnam des von mir
erschlagenen Feindes geworfen hatte, sah ich mich nach meinen Kameraden
um. Auch sie waren inzwischen wacker an der Arbeit gewesen. Der
Sergeant Zerbe, ein Westpreuße, hatte sich einen feindlichen Sergeanten
aufs Korn genommen und ihn fast erreicht, als dieser feuerte, vorbeischoß,
aber sehr gewandt in Bajonettauslage überging, um den Gegner auflaufen
zu lassen. Der preußische Sergeant parierte ruhig sein Pferd, unmittelbar
vorm Feind, zog sein Pistol und erschoß den Franzosen. Der Husar Röber,
ein kölnischer Junge, war in eine fatale Lage geraten. Er hatte einen Fran-
zosen umreiten wollen, der aber hatte ihm sein Haubajonett so fest durch
den Säbelkorb gestoßen, daß er es nicht mehr zurückziehen konnte. Der
fixe Kölner warf seinen Säbel und damit das Gewehr des Gegners zur Erde,