SCHLAF IM ZIEGENSTALL 203
wärmten sich die Husaren an der Brandstätte. Zu meiner Freude fand ich
Hafer für meine brave Grete, auch eine halbe Flasche Wein für mich. Ich
leerte sie auf einen Zug, dann warf ich mich in einem verlassenen Ziegenstall
auf die Erde. Wie in meinen Kindertagen betete ich:
„Abends, wenn ik slapen gah,
Viertein Engel bi mi stahn:
Twei tau min Haupten,
Twei tau min Feutten,
Twei tau mine Rechten,
Twei tau mine Linken,
Twei, di mi taudecken,
Twei, di mi upwecken,
Twei, di mi wiest
Int himmlisch Paradies,
Un min Vadding un Mudding ok.“
Und dann verfiel ich nach diesem ereignisreichen Tag, während durch
die Stille der Nacht in der Ferne die französischen Signale ertönten, immer
leiser tönten und schließlich verstummten, in den tiefsten Schlaf, den ich
je geschlafen habe.
Bei einer Kälte von elf Grad stieg am 24. Dezember die Sonne an einem
klaren und wolkenlosen Himmel empor. Ein eisiger Nordostwind blies uns
um die Nase. Die 1. Eskadron hielt schon am frühen Morgen in einer
Terrainmulde westlich des Windmühlenberges bei Querrieux. Wir konnten
konstatieren, daß die Franzosen ihre Stellungen vom gestrigen Nachmittag
überall hielten. Zu offensiven Vorstößen rafften sie sich nicht mehr auf.
Einige schwächliche Versuche in dieser Richtung wurden nach den ersten
Schüssen unserer Vortruppen wieder aufgegeben. Das heftige Feuer der
Franzosen aus Chassepots und Geschützen richtete bei uns keinen großen
Schaden an. Die fortwährende Bewegung, die in den französischen Massen
herrschte, schien uns ein Beweis, daß der Franzmann auf seinen Höhen, wo
er in Ermangelung von Dörfern biwakiert haben mußte, noch mehr unter
der Kälte litt als wir im Tal. Ich weiß nicht, wer geäußert hat, daß die
Schadenfreude die einzige reine Freude sei. Die Überzeugung, daß die Fran-
zosen noch mehr froren als wir, hob unsere Stimmung. Was uns vor allem
befriedigte, war, daß, wenn wir dem in starker Stellung weit überlegenen
Feind auch eine entscheidende Niederlage nicht beigebracht hatten, doch
unser Hauptzweck, die Vertreibung des Feindes aus der unmittelbaren
Nähe von Amiens, in der Schlacht an der Hallue erreicht worden war.
Mit siebenunddreißig Offizieren und neunhundert Mann, die vor dem
Feind geblieben waren, hatte das rheinische Armeekorps dieses Resultat
erkauft.
Der 24. De-
zember