VERLORENE BRIEFE 209
Hurra mit dem Bajonett den Feind unter großen Verlusten auch aus
Behagnies heraus. Zahlreiche Gefangene blieben zurück. Zwei Bataillone,
zwölf Geschütze und fünfzig Königshusaren hatten den Angriff einer Divi-
sion abgeschlagen. Graf Max Pourtal&es war aus dem Holz, aus dem
Napoleon I. seine Marschälle zu schnitzen liebte. Schlank und elastisch, mit
keckem, aufgesetztem schwarzem Schnurrbart und kühnen Augen, immer
ein Lächeln um den Mund, zog er auf der Poppelsdorfer Allee zu Bonn am
Rhein wie in den Straßen von Amiens und Rouen die Blicke der Frauen
und Mädchen auf sich. Sohn eines Neufchateller Vaters und einer Genfer
Mutter, sprach er Deutsch mit französischem Akzent, aber sein Herz war
durch und durch preußisch. Als unser Regiment im Februar 1871 nach
Treport kam, führte Max Pourtalös seine Schwadron, die 2. Schwadron, bis
an das Meer, ritt mit den Husaren ins Wasser hinein und hielt dann eine
kleine Ansprache an sie, die mit den Worten begann: ‚„Usaren (er konnte
das „H“ nicht recht aussprechen), bis an die Meer abe ik euch geführt.“
Dieser herrliche Offizier, der von innerem Feuer glühte, dem Feuer der
Ruhmbegierde und des Ehrgeizes, dem eine glänzende militärische Zukunft
zu winken schien, wurde wenige Jahre nach dem Kriege von einem tücki-
schen inneren Leiden befallen, das ihn zwang, den Dienst zu verlassen. Wer
ihn gekannt hat, wird ihn nicht vergessen. Die Geschichte des Königs-
husaren-Regiments gedenkt mit Stolz des Tages von Sapignies und des
Grafen Max Pourtalts, der seitdem im Regiment der ,„Duc de Sapignies“
hieß,
Mein guter Vater hat meine Feldzugsbriefe sorgsam gesammelt. Als ich
nach seinem Tode seinen Nachlaß ordnete, stellte es sich heraus, daß zwei
für mich besonders interessante Briefe fehlten: ein Brief, der meine Ordon-
nanzritte im November eingehender schilderte, und mein Bericht über die
Schlacht an der Hallue. Ich möchte annehmen, daß mein Vater diese Briefe
entweder an meinen im Felde stehenden Bruder Adolf oder, was mir wahr-
scheinlicher ist, an den Herzog Georg von Mecklenburg-Strelitz nach
St. Petersburg geschickt hat. Der Herzog Georg hatte sich 1851 mit der
Großfürstin Katharina Michailowna von Rußland verheiratet und war
gleichzeitig in russische Dienste getreten. Obwohl Legitimist vom reinsten
Wasser und als solcher ein Gegner der Bismarckschen Politik von 1866,
stand er, der Neffe der Königin Luise, im Deutsch-Französischen Kriege
auf deutscher Seite. Was ihm mein seit langem mit ihm befreundeter Vater
über seine Eindrücke schrieb, brachte er gern zur Kenntnis des Kaisers
Alexander II., der, Sohn einer preußischen Prinzessin und Enkel der
Königin Luise, während des Deutsch-Französischen Krieges zu Deutsch-
land, richtiger zu Preußen, neigte und den Schreiben von der preußischen
Front interessierten und erfreuten. Dagegen liegen mir meine Briefe über
14 Bülow IV
Graf Max
Pourtaläs
Herzog Georg
von
Mecklenburg