Auf dem
Markt von
Bapaume
212 „KOPF HOCH!“
und wir passierten im Trabe den Sturzacker, um auf der Chaussee Auf-
stellung zu nehmen. Es waren schon mehrere Granaten kurz vor und kurz
hinter uns eingeschlagen, als zwei mitten in dem Zug krepierten. Die eine
schlug gerade vor uns ein, so dicht, daß mein Pferd in die Höhe ging und
ich ganz mit Erde und Schnee beworfen wurde. Dem vor mir reitenden
Vizewachtmeister Oskar Becker, einem Leipziger, ein netter Kerl, riß ein
Splitter den Kopf weg, daß er mit der Pelzmütze wegflog, als wäre er ab-
geblasen. Ich wurde im Gesicht und auf dem Mantel mit Blut und Gehirn
bespritzt. Im übrigen taten uns die Granaten nicht so viel Schaden, wie an-
zunehmen war. Es wurden mehr Pferde als Leute verwundet. Ich hob den
Säbel und rief meinen Leuten zu: „Ruheund Kopf hoch!“ Das Sausen und
Krepieren klang ziemlich unheimlich, und die Angst oder vielmehr ein
gewisses Grauen saß den Leuten wohl in den Gliedern. Doch muß man
ihnen lassen, daß kein Mann aus dem Glied drängte und daß sie im Zuge
Abstand und Fühlung hielten wie beim Exerzieren. Wir passierten die
Chaussee und stellten uns zwanzig Schritt hinter derselben neben einer
Fabrik auf.
Das Gefecht hatte auf unserem (linken) Flügel eine ungemütliche
Wendung genommen. Unsere Batterie fuhr ins heftigste Feuer und beschoß
von da die Franzosen. Das Bataillon Dreiunddreißiger, das zwei Drittel
seiner Leute verloren hatte, sammelte sich und ging nochmals vor. Die
Franzosen hatten nicht die Courage, Bapaume mit dem Bajonett zu
nehmen, obwohl sie vier gegen einen waren, sondern begnügten sich damit,
die Stadt sehr heftig zu beschießen. Unsere Granaten platzten auf der
Chaussee, eine ganz in unserer Nähe, gerade auf einem Munitionswagen und
rıß Pferde und Menschen in Stücke. Eine andere fuhr in die Fabrik, neben
der wir standen. Auch in den Kirchturm der Stadt ging eine, was sich
schnurrig ausnahm. ,
Unterdessen kam eine Meldung, die Leutnant von Knesebeck mit
unserem Zuge an den General von Goeben bringen sollte. Wir passierten
Bapaume. Wir kamen an den Markt, auf dem die Granaten einschlugen
und der infolgedessen ganz menschenleer war. Es war ein viereckiger Platz,
von Platanen umgeben. Nur eine alte Frau war zu erblicken, die dort
Unkraut ausjätete und Unrat wegfegte. Ich sagte ihr beim Vorbeireiten, sie
möge einen Unterschlupf aufsuchen, sonst könnte sie von einer Granate
getroffen werden. Sie antwortete mir ganz apathisch: ‚Mon bon Monsieur,
je suis vieille et pauvre, la mort ne m’effraie pas. J’aime aussi bien continuer
mon petit travail, auquel je suis habituee.‘ Ein sehr ruppiger Hund, der
bei ihr war, blieb. auch trotz des Granatfeuers. Das waren doch zwei
Philosophen. Knesebeck und ich ritten bis zu einem Dorf, etwa vier
Kilometer von Bapaume, wo der General war. Knesebeck nahm mich mit