3. bis 9. Ja-
nuar 1871
218 PATROUILLENRITTE
immer gut durchgekommen. In der Kreuzzeitung habt Ihr wohl gesehen,
daß ich Fähnrich geworden bin. Kleidungsstücke brauche ich vorläufig
keine. Bitte nur, wenn möglich, um zwei Taschentücher, Zahnbürsten,
Federhalter mit Bleistift und Independances, vielleicht auch eine Karte
von Nordfrankreich und ein kleines (tragbares, möglichst scharfes) Fernrohr
(gut bei Patrouillen!). Tausend Grüße von Eurem treuen Sohn.“
Zwischen dem Gefecht von Bapaume und der Schlacht von Saint-
Quentin, d.h. zwischen dem 3. und dem 19. Januar 1871, liegt die Zeit,
wo ich die meisten und interessantesten Patrouillen geritten habe. Als ob
es gestern gewesen wäre, erinnere ich mich an die dunklen Wälder rechts
und links von der weißen Chaussee, an die Meilensteine, an die schweigenden
Chäteaux, die in der Ferne auftauchten, an die ganze Landschaft, wo alles
von alter Kultur sprach. Das Wetter war sehr ungünstig, bald strenge
Kälte bis auf 10 Grad unter Null, dann wieder Tauwetter mit warmem
Regen. Die Straßen waren meist mit Glatteis überzogen, die Felder völlig
unpassierbar. Bei solchem Glatteis durch die Dörfer zu kommen, ohne zu
stürzen, war nicht leicht. Und wer mit seinem Pferde zu Fall kam, hatte
eine gute Chance, von den in den Dörfern versteckten Franktireurs, unter
Umständen auch von den Bauern selbst, totgeschlagen zu werden. Das
Umreiten der Dörfer war, da die Felder einem Morast glichen, so gut wie
unmöglich. Aber die Not macht erfinderisch. Wenn wir uns einem Dorfe
näherten, holten wir aus dem ersten größeren Haus den Besitzer heraus
und forderten ihn sehr höflich, aber mit vorgehaltenem Revolver, auf, uns
sofort und in aller Stille zu Monsieur le Maire zu führen. Dem Maire
erklärten wir, daß er uns bei dem Passieren des Dorfes begleiten müsse.
Damit er nicht auf der glatten Dorfstraße zu Fall käme, würden wir ihn an
einen tüchtigen Strick anbinden. Wenn aus dem Dorf auf uns geschossen
würde, so wären wir zu unserem Leidwesen gezwungen, auf ihn zu schießen,
andernfalls würde ihm kein Haar gekrümmt werden. So kamen wir meist
gut durch die Dörfer durch.
Es fehlte bei diesen Patrouillenritten auch nicht an komischen Episoden.
Als ich einmal bei schwachem Mondschein durch einen Wald ritt, glaubte
ich auf kurze Distanz zwei französische Infanteristen vor mir zu sehen. Ich
hob den Säbel und kommandierte: „Zur Attacke!“ Dann galoppierte ich
mit meinen beiden Husaren auf die Feinde zu. Vor den Feinden angelangt,
entpuppten sich diese als zwei verkrüppelte Eichen. Zu Hause angekommen,
hütete ich mich wohl, meinen Kameraden mein Mißgeschick zu verraten.
Nach einigen Tagen erzählte der redliche Scharffenberg, daß er statt eines
Franzosen einen Baum attackiert habe, und dann stellte sich heraus, daß
wir alle, einer nach dem andern, an der gleichen Stelle jene Bäume für
Franzmänner gehalten hatten.