Beißel von
Gymnich
Goebens
Pläne
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besuchen würde, die nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit mit Mädchen-
pensionaten haben. War aber die Not vorüber, vergaß er nur zu rasch
sein Gelübde und lieferte einen neuen Beweis für die Richtigkeit des
neapolitanischen Sprichworts, daß, wenn die Gefahr überwunden ist, auf
den Heiligen gepfiffen wird. Passato il pericolo, gabbato il Santo.
Graf Beißel von Gymnich entstammte einer Familie des nieder-
rheinischen Uradels, und rheinländisch war sein heiterer Sinn und seine
immer frohe Laune. Er war sehr gutmütig. Ich entsinne mich, daß wir ein-
mal in einem kleinen Bauernhause in einem Stübchen einquartiert wurden,
das zu eng war, um mehr als zwei Personen Raum zu bieten. Der Quartier-
meister hatte das kleine Zimmer für Beißel und mich belegt und die alte
Frau, die dort hauste, aufgefordert, in einem ungeschützten Schuppen zu
übernachten. Die Alte jammerte und weinte. Beißel schlug mir vor, die
Frau in ihrer Kammer zu lassen und selbst die Nacht im Freien zuzubringen,
ein Vorschlag, auf den ich natürlich gern einging. Die alte Französin war
sehr gerührt und wünschte uns, als wir am nächsten Morgen weiter-
marschierten, Gottes Segen für unsere fernere Fahrt. Diese Nacht im Freien
war übrigens nicht die ungemütlichste, die ich in Frankreich verlebt habe.
Schlimmer noch war der Aufenthalt in einem früheren, nicht mehr be-
nutzten Backofen, in dem ich bei bitterer Kälte mit Dietrich Lo& und Diet-
rich Metternich zwei Tage und zwei Nächte zubrachte. Beißel, der in glück-
lichen Familien-Verhältnissen lebte, fuhr mehrere Jahre nach dem Kriege
mit der Eisenbahn von Bingen nach Bonn. In einem der vielen Tunnels auf
dieser Route ertönte ein schwacher Knall. Als der Zug aus dem Tunnel
herausfuhr, lag Beißel tot da, mit einem kleinen Loch in der Stirn. Er hatte
sich während der Fahrt durch den Tunnel erschossen. Warum, ist nie er-
mittelt worden. Die verschiedenen Mutmaßungen, die über die Ursachen
seines Selbstmordes angestellt wurden, erwiesen sich alle als grundlos.
There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in
your philosophy.
Während wir lustigen Fähnriche trotz Kälte und Strapazen in froher
Laune am Tage und bei Nacht unsere Patrouillen ritten, reiften die genialen
Pläne unseres großen Feldherrn, des Generals von Goeben. Er wußte, daß
er von seinen Truppen trotz aller Strapazen, die sie seit dem Abmarsch von
Compiegne, also seit vollen sieben Wochen, bei Eis und Schnee, bei Regen
und bei Kälte, in ununterbrochener, immer anstrengender, immer vorwärts
gehender Kampagne durchgemacht hatten, auch das Schwerste fordern
könne. Der Patrouillendienst wurde Mitte Januar noch verschärft. Die
1. Eskadron patrouillierte unausgesetzt gegen Albert. Mit den Vorposten
der Kavallerie-Division hielten wir Verbindung. Alle drei Stunden gingen
Patrouillen über Marricourt auf Flers. Längs der Somme patrouillierten