Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

„MALHEUR!“ 227 
Bataillon Dreiunddreißiger Befehl erhielt, einen kleinen Wald zu nehmen, 
in dem sich die Franzosen festgesetzt hatten, pflanzten sie mit lautem 
Hurra das Bajonett auf, während die Fahne entrollt wurde, von der nur 
noch ein paar l'etzen herunterhingen. Der Major hob den Degen mit den 
Worten: ‚Jedermann gedenke, daß er Preuße und Dreiunddreißiger ist!“ 
Worauf sie unter dem Ruf ‚Malheur! Malheur!‘ vorgingen und die Franzosen 
bald herausgeworfen hatten. Auch unsere Artillerie schoß famos. Merk- 
würdig ist, wie weit die französischen Kugeln tragen, zumal die Leute beim 
Zielen das Chassepot auf die Lende setzen, dieses auch eine sehr rasante 
Flugbahn hat. Obwohl wir ziemlich gedeckt aufgestellt worden waren, 
schlugen eine Menge Kugeln bei uns ein, doch wurden nur zwei Husaren 
meiner Schwadron verwundet. Gegen Abend erhielten wir Befehl, in Saint- 
Quentin einzurücken. 
Als wir dort einzogen, zogen die letzten Franzosen am anderen Ende aus. 
Nachdem wir einquartiert worden waren, fanden wir in einem Cafe noch 
dreißig Mobilgardisten mit Gewehr und allem, die sich uns ergaben. Die 
französischen Marinetruppen schlugen sich aber sehr gut. Am 20. machten 
wir einen Marsch von fünf Meilen nach Empire (Departement de l’Aisne). 
Heute ist ein Zug zur Bedeckung des Brigadegenerals kommandiert, bei 
dem ich bin. Ich habe auf diese Weise Aussicht auf gute Quartiere, da die 
Brigade sich möglichst gute Dörfer auszusuchen pflegt. Die Chaussee hinter 
Saint-Quentin lag voller Toter, fast alle in den Kopf geschossen. Auch 
einige Schwerverwundete sah ich, die da die ganze Nacht gelegen hatten. 
Die toten Franzosen waren fast alles blutjunge Burschen, sehr gut equi- 
piert, aber meist klein und schwächlich. Zum Teil sahen sie ganz friedlich 
aus, zum Teil sehr verzerrt. Einer saß gegen den Chausseedamm gelehnt, 
in der Stellung eines Mannes, der das Gewehr abdrücken will, beide Arme 
erhoben. Der Tod muß doch sehr schnell eintreten. Viele Munitionswagen 
standen herum, denen die Pferde von Granaten getötet waren, auch eine 
arme Kuh, von einer Granate ganz in Fetzen zerrissen. Ein paar andere 
weideten ganz friedlich daneben. In der letzten Zeit haben wir recht starke 
Märsche gemacht. Am 17. zehn Stunden, am 18. fünfzehn Stunden, vor- 
gestern dreizehn Stunden und gestern zwölf Stunden. Daß die Infanterie 
das bei den grundlosen Wegen aushält, bewundere ich. Zu essen haben wir 
nichts als Erbswurstsuppe, wenn wir ins Quartier kommen, die schmeckt 
aber sehr gut. Schickt mir bei Gelegenheit, bitte, zwei Taschentücher, 
Independances und eine solide Zigarrentasche, vielleicht auch ein kleines 
Fernrohr, möglichst bequem und leicht zu tragen. Die meisten haben es in 
Opernguckerform. Schickt mir auch, bitte, die Büchselsche Sammlung von 
Gesängen für den Krieg. Neues Testament habe ich. Tausend Grüße und 
beste Wünsche von Eurem treuen Sohn Bernhard von Bülow.“ 
15* 
Einzug in 
Saint-Quentin
	        
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