EINE AUSZEICHNUNG FÜR DEN ADELSSTAND 233
zum Kanzler erhielt ich einen Brief von ihm, in dem er mich frug, ob ich
einem alten Kriegskameraden helfen wollte. Ihm persönlich liege nichts am
Adel. Er habe seinen Weg vom Einjährig-Freiwilligen bei der Haubitz-
Batterie der 3. Artillerie-Brigade bis zum Oberst und Kommandeur des
Litauischen Ulanen-Regiments Nr. 12 auch ohne Adel mit Ehren zurück-
gelegt. Für seine Söhne aber würde die Erhebung in den Adelsstand ihn
freuen. Ich benutzte einen Augenblick, wo Kaiser Wilhelm II. in guter
Stimmung war, um die Nobilitierung des alten, von mir hochverehrten
Oberst Rudolphi anzuregen. Der Kaiser gab sofort und gern die nötigen
Anweisungen, und Ferdinand Rudolphi wurde am 29. Januar 1902 in den
Adelsstand erhoben, was, nebenbei gesagt, eine Auszeichnung für den
Adelsstand war. Seine beiden Söhne standen, als ich mein Amt als Reichs-
kanzler niederlegte, der eine beim Ulanen-Regiment Kaiser Alexander III.
von Rußland (Westpreußisches) Nr. 1, der andere bei dem Torgauer Feld-
Artillerie-Regiment Nr. 74.
Ich habe schon erwähnt, daß der Regiments-Adjutant, Leutnant
Moßner, sich der von Rudolphi am 19. Januar gerittenen Attacke frei-
willig angeschlossen hatte. Moßner war einer der besten Offiziere des Regi-
ments und, ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, als er zu höheren
Chargen aufrückte, einer unserer ausgezeichnetsten Kavalleristen. Er war
der Sohn eines Berliner Bankiers, der Gelegenheit gehabt hatte, 1848 dem
damaligen Prinzen von Preußen treue Dienste zu leisten, als der Prinz in
den traurigen Märztagen, als „Reaktionär‘“ und „Absolutist‘‘ verschrien,
gezwungen wurde, Berlin zu verlassen. Kaiser Wilhelm I. vergaß nie einen
ihm geleisteten Dienst. Als er zwei Jahre nach seiner Thronbesteigung dem
Bankier Moßner begegnete, frug er, ob er ihm nicht einen Wunsch erfüllen
könne. Der Gefragte erwiderte, daß er einen jungen Sohn habe, der für
einen guten Reiter gelte und brennend wünsche, bei der Kavallerie einzu-
treten. Der König versprach gern, daß er den jungen, damals gerade acht-
zehnjährigen Mann bei seinem eigenen Regiment, den Königshusaren, ein-
stellen lassen würde. 1865 bei den blauen Husaren in Bonn eingetreten,
fand Walter Moßner dort nicht gerade eine freundliche Aufnahme. Er ent-
stammte einer israelitischen Familie, und das ÖOffizierkorps des Königs-
husaren-Regiments weigerte sich, ihn zum Offizier zu wählen. So kam es zu
einem der wenigen Fälle, in denen Wilhelm I. ein Offizierkorps zwang, einen
ihm nicht genehmen Avantageur in seinen Kreis aufzunehmen. Der König
ließ den Offizieren seines Husaren-Regiments durch den Regiments-Kom-
mandeur sagen, er würde die Nichtwahl des Avantageurs Moßner als eine
persönliche Kränkung empfinden. Daraufhin zum Offizier gewählt, machte
sich Moßner sofort dadurch eine gute Stellung, daß er einem anderen Fähn-
rich, der sich seiner Wahl besonders lebhaft widersetzt hatte, in einem Duell
Leutnant
Moßner