EINQUARTIERUNG 237
in Kraft. Die Franzosen räumten Abbeville, wir dagegen die Departements
du Nord und Pas de Calais. Eine neutrale Zone von zwanzig Kilometer
Breite trennte die beiden Heere. Bei starkem, aber warmem Regen mar-
schierten wir in der Richtung auf Amiens und bezogen Quartiere in kleinen
nordöstlich und östlich von Amiens gelegenen Dörfern.
Am anderen Tage marschierten wir weiter auf Aumale, ein hübsches
Städtchen, dem der als General wie als Historiker bekannte vierte Sohn
des Königs Ludwig Philipp seinen Titel dankte. Aumale hat in der fran-
zösischen Geschichte eine gewisse Rolle gespielt. Karl der Kühne verbrannte
die an der Bresle gelegene kleine Stadt, die dann hundert Jahre später
dem verwundeten Heinrich IV. ein Asyl vor den ihn verfolgenden Liguisten
bot. Ce roi galant, qui fit le diable a quatre, hatte bekanntlich eine aus-
gesprochene Vorliebe für das weibliche Geschlecht. Die Frauen erwiesen
sich dankbar. Jeanne Leclerc, die schönste Bürgerstochter von Aumale, ließ
für den Einlaß begehrenden König selbst die Zugbrücke herunter.
Am 9. Februar trafen wir in Le Treport ein, derreizend am Einfluß der
Bresle in den Kanal gelegenen Hafenstadt. Wir bewunderten die schöne
Kirche Saint- Jacques und genossen in vollen Zügen Meeres- und Frühlings-
luft. Trotzdem grassierte dort der Typhus, an dem wir einen tüchtigen
Reserveoffhizier, den Leutnant Allert, verloren. Seit dem Beginn des Waffen-
stillstandes erfolgte die Einquartierung durch die Mairien und mit voller
Verpflegung. Der deutsche Soldat hatte zu fordern: morgens Kaffee und
Brot, zum zweiten Frühstück Brot und ein Stück Fleisch, des Mittags
Fleisch, Gemüse und eine halbe Flasche Wein, des Abends eine gute Suppe
und Brot, außerdem am Tage ab und zu einen kleinen Kognak. Das klingt
sehr schön. Die Wirklichkeit aber blieb hinter diesem Verpflegungsideal er-
heblich zurück. Bei der großen Gutmütigkeit und Genügsamkeit unserer
Leute kam es trotzdem nie oder nur in Ausnahmefällen zu Ausschreitungen
gegenüber der französischen Bevölkerung. Ich habe namentlich auf dem
Lande häufig gesehen, daß unsere Leute den französischen Bauern bei ihrer
Arbeit halfen, sich mit ihnen, so gut sie konnten, unterhielten, die Kinder
auf dem Schoße hielten und mit den Kindern spielten. Die Bauern waren
durchweg friedlich gesinnt und wünschten brennend das Aufhören des
Krieges. In den Städten, auch in den kleineren Städten, überwog ein zum
Teil leidenschaftlicher Patriotismus, hier galt Gambetta für den Retter der
französischen Ehre, während die Landbewohner ihn zum Kuckuck
wünschten.
Mitte Februar bezog unsere 1. Eskadron mit dem Stabe die Stadt
Abbeville, einst Sitz eines mächtigen Abtes. Daher auch der Name
(Abatis Villa). Hier begann wieder der Friedensdienst, der uns im Gegen-
satz zu dem sehr viel interessanteren und unterhaltenderen Kriegsdienst
Aumale
Le Treport
Abbeville