Befehl zum
Rückmarsch
Walter
von Loö
250 WIEDERSEHEN IM DORF
wurden, daß ihr Gatte den guten Einfall hatte, sich für mehrere Wochen
von Amiens nach seiner schottischen Heimat zu begeben.
Da ich als Platzmajor nicht allzuviel zu tun hatte, unternahm ich häufig
Spazierritte in die Umgegend von Amiens. Ich kam nach Bussy, Querrieux,
Pont-Noyelles, Davurs, wo wir im Winter gefochten hatten. Ich kam auch
nach Camon, zu dem Bauernhaus, wo ich in der Nacht vor der Schlacht
an der Hallue einquartiert war. Im Torweg stand Julie, wie am Morgen des
23. Dezeniber. Sie erkannte mich sogleich und reichte mir die Hand, mit
großer Ruhe und Unbefangenheit. Ich sah auf den ersten Blick, daß sie
guter Hoffnung war. Ich frug, ob ich ihr helfen, mich ihr nützlich machen
könne. Ich wäre gern hierzu bereit. Sie schüttelte den Kopf. Sie erzählte
mir dann, sie sei seit Monaten verheiratet, mit einem Fermier, einem braven
Mann. „Il est un peu rude, mais excellent. Il est bon pour moi, il sera bon
pour le mioche, que je vais mettre au monde. C’est un bon gars.““ Ich frug
sie, ob sie mir böse wäre. Sie schüttelte wieder den Kopf: „Nous avons
faute tous les deux.“ Ich küßte sie auf die Stirn und ritt weiter, bewegt und
in ernsten Gedanken. Das Volk, und namentlich das Landvolk, steht der
Natur näher als die Gebildeten. Seine Gefühle sind geradlinig, einfach und
gesund. Hier ist der Jungbrunnen, aus dem die überbildete, verbildete, von
des Gedankens Blässe angekränkelte Oberschicht von Zeit zu Zeit neue
Lebenskraft holen muß, wenn sie nicht verkümmern will.
Am 31. Mai erging an das VIII. Armeekorps der Befehl zum Rück-
marsch in die Heimat. Zu gleicher Zeit erhielt das Königshusaren-Regi-
ment eine freilich schon seit langer Zeit gefürchtete und vorhergesehene
Nachricht. Wir verloren unsern verehrten und geliebten Kommandeur, der
mit. der Führung der 21. Kavallerie-Brigade betraut wurde. Der Regiments-
befehl, in dem der Oberst von Lo& zum letztenmal zum Regiment sprach,
schloß: „Ich habe Euch immer und überall in den Stunden der Gefahr und
des Kampfes, trotz Hunger und Anstrengungen, in Kälte und Eis freudig
bereit gefunden, mehr zu leisten, als ich von Euch forderte, dafür danke
ich Euch beim Abschied aus tiefster Seele. Offiziere, Unteroffiziere und
Husaren! Wenn Ihr, hoffentlich nun bald, in unsere teure Heimat zurück-
kehrt, wenn Ihr Euch im Kreise Eurer Familien an die glorreichen Tage
von Gravelotte und Boves, von Querrieux und Sapignies, von Bapaume
und Saint-Quentin erinnert, dann vergeßt Euren Oberst nicht, dessen
größter Stulz es ist, jene Tage mit Euch durchlebt zu haben, der Euch
immer ein treues Andenken bewahren wird.“
Es hätte dieser Bitte des Obersten nicht bedurft. Sein Bild stand
unauslöschlich in der Brust eines jeden, der unter ihm im Regiment
und vor dem Feinde stand. Der Freiherr Walter von Lo&ö entstammte
einem alten rheinländischen Adelsgeschlecht, und adlig im besten Sinne