Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Befehl zum 
Rückmarsch 
Walter 
von Loö 
250 WIEDERSEHEN IM DORF 
wurden, daß ihr Gatte den guten Einfall hatte, sich für mehrere Wochen 
von Amiens nach seiner schottischen Heimat zu begeben. 
Da ich als Platzmajor nicht allzuviel zu tun hatte, unternahm ich häufig 
Spazierritte in die Umgegend von Amiens. Ich kam nach Bussy, Querrieux, 
Pont-Noyelles, Davurs, wo wir im Winter gefochten hatten. Ich kam auch 
nach Camon, zu dem Bauernhaus, wo ich in der Nacht vor der Schlacht 
an der Hallue einquartiert war. Im Torweg stand Julie, wie am Morgen des 
23. Dezeniber. Sie erkannte mich sogleich und reichte mir die Hand, mit 
großer Ruhe und Unbefangenheit. Ich sah auf den ersten Blick, daß sie 
guter Hoffnung war. Ich frug, ob ich ihr helfen, mich ihr nützlich machen 
könne. Ich wäre gern hierzu bereit. Sie schüttelte den Kopf. Sie erzählte 
mir dann, sie sei seit Monaten verheiratet, mit einem Fermier, einem braven 
Mann. „Il est un peu rude, mais excellent. Il est bon pour moi, il sera bon 
pour le mioche, que je vais mettre au monde. C’est un bon gars.““ Ich frug 
sie, ob sie mir böse wäre. Sie schüttelte wieder den Kopf: „Nous avons 
faute tous les deux.“ Ich küßte sie auf die Stirn und ritt weiter, bewegt und 
in ernsten Gedanken. Das Volk, und namentlich das Landvolk, steht der 
Natur näher als die Gebildeten. Seine Gefühle sind geradlinig, einfach und 
gesund. Hier ist der Jungbrunnen, aus dem die überbildete, verbildete, von 
des Gedankens Blässe angekränkelte Oberschicht von Zeit zu Zeit neue 
Lebenskraft holen muß, wenn sie nicht verkümmern will. 
Am 31. Mai erging an das VIII. Armeekorps der Befehl zum Rück- 
marsch in die Heimat. Zu gleicher Zeit erhielt das Königshusaren-Regi- 
ment eine freilich schon seit langer Zeit gefürchtete und vorhergesehene 
Nachricht. Wir verloren unsern verehrten und geliebten Kommandeur, der 
mit. der Führung der 21. Kavallerie-Brigade betraut wurde. Der Regiments- 
befehl, in dem der Oberst von Lo& zum letztenmal zum Regiment sprach, 
schloß: „Ich habe Euch immer und überall in den Stunden der Gefahr und 
des Kampfes, trotz Hunger und Anstrengungen, in Kälte und Eis freudig 
bereit gefunden, mehr zu leisten, als ich von Euch forderte, dafür danke 
ich Euch beim Abschied aus tiefster Seele. Offiziere, Unteroffiziere und 
Husaren! Wenn Ihr, hoffentlich nun bald, in unsere teure Heimat zurück- 
kehrt, wenn Ihr Euch im Kreise Eurer Familien an die glorreichen Tage 
von Gravelotte und Boves, von Querrieux und Sapignies, von Bapaume 
und Saint-Quentin erinnert, dann vergeßt Euren Oberst nicht, dessen 
größter Stulz es ist, jene Tage mit Euch durchlebt zu haben, der Euch 
immer ein treues Andenken bewahren wird.“ 
Es hätte dieser Bitte des Obersten nicht bedurft. Sein Bild stand 
unauslöschlich in der Brust eines jeden, der unter ihm im Regiment 
und vor dem Feinde stand. Der Freiherr Walter von Lo&ö entstammte 
einem alten rheinländischen Adelsgeschlecht, und adlig im besten Sinne
	        
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