IN DEN ARDENNEN 255
auf einen biederen Musketier zu, bat ihn um sein Gesangbuch und über-
reichte es meiner Generalin. Der General von Barnekow sagte mir mit
strengem Ausdruck: „Bringen Sie dem Mann das Buch zurück. Er hat das-
selbe Recht auf ein Gesangbuch wie Ihre schöne Generalin.‘“ Frau von Ru-
ville war in der Tat eine stattliche, schöne Frau. Sie war eine geborene
Freiin von Bülow-Stolle und in jungen Jahren Hofdame in Strelitz. Der
General war sehr viel älter als sie. Er war bärbeißig, sie war heiter und
lebenslustig. Es war nicht überraschend, daß sie sich, einige Jahre nachdem
sie Amiens verlassen hatten, von ihrem Gemahl trennte und einen jüngeren
Diplomaten heiratete.
Bevor wir den Rückmarsch nach der Heimat antraten, mußte ich mich
von meiner guten Grete trennen. Ich wollte die hellbraune Stute, die mich
so treu durch den Krieg getragen hatte und die durch die Winterkampagne
einigermaßen mitgenommen war, nicht den Strapazen des Rückmarsches
aussetzen. Ich überließ sie Monsieur de Y., der mir versprach, daß sie es in
seinem Hause gut haben würde. Niemand solle sie reiten oder fahren als
seine Tochter. Marie de Y. sah sehr niedlich aus, wenn sie die hellbraune
Stute, die ein französischer Stallmeister eingefahren hatte, vor einem Til-
bury fuhr. Mein guter Vater setzte mich in die Lage, zwei andere Pferde
zu kaufen, ein ursprünglich französisches, von einem Garde-Ulanen er-
beutetes, sehr leistungsfähiges Pferd, und eine wunderschöne Rappstute,
ganz Vollblut und sehr elegant. Da ich überdies als Offizier Anspruch auf
ein Chargenpferd hatte, war ich wohlberitten.
Am 12. Juni schrieb ich an meine Eltern aus Antheny in den Ardennen:
„Ich verließ Amiens am Freitagmorgen. Donnerstag gab mir der General
ein kleines Abschiedsdiner, bei dem er einen sehr freundlichen und für mich
sehr schmeichelhaften Toast auf mich ausbrachte. Überhaupt ist er immer
sehr freundlich für mich gewesen, ebenso wie Frau von Ruville. Mein Nach-
folger ist ein Herr von der Gultz, Premierleutnant von den 10. Dragonern.
Es tat mir eigentlich sehr leid, aus Amiens wegzugehen, wo ich sehr viele
angenehme Bekanntschaften hatte, doch muß ich jetzt sagen, daß auch das
Marschieren sehr nett ist. Jedenfalls ist es gesünder, in freier Luft zu sein,
als bloße Schreibereien. Ich bin zur 3. Schwadron gekommen, mit Herrn
von Böselager als Schwadrons-Chef und zwei anderen Offizieren, Jagow
und Schrader, die ich alle drei sehr gut kenne, so daß wir uns gut unter-
halten. Ich fuhr mit der Eisenbahn nach Saint-Quentin, von da mar-
schierten wir über Guise und Vervins, zwei kleine und ganz nette Städte.
Die Ardennen, in denen wir jetzt sind, sind ein sehr schönes Land, ungefähr
wie der Harz: viel Berge, Täler, kleine Flüsse und ab und zu Ruinen von
in der Revolution zerstörten Schlössern und Äbteien. Das Wetter ist ganz
sommerlich. Nur morgens angenehm zum Marschieren und von elf Uhr ab
Über
Mezieres-
Sedan