IN DER HEIMAT 259
Godesberg an meine Mutter: „Liebste Mama, tausend Dank für Eure
lieben und freundlichen Briefe. Ich brauche Dir nicht erst zu sagen, wie ich
alles tun werde, um so bald wie möglich Urlaub zu bekommen. Es wird
dies wohl schwerhalten, doch hoffe ich es zu erreichen, obwohl jetzt natür-
lich alles Urlaub haben will und die Anciennität bei solchen Gelegenheiten
auch eine Rolle spielt. Ich reite heute mittag nach Bonn, um mit dem Major
zu sprechen. Ich werde um sechs Wochen bitten, doch wird er mir wohl nur
vier Wochen bewilligen wollen. Daß ich alles tun werde, um so bald und so
lange wie irgend möglich Urlaub zu bekommen, brauche ich, wie gesagt,
Euch nicht zu versprechen. Wir sind seit dem 6. Juli in Bonn angelangt,
der Empfang war ein sehr schöner. Deputationen und Wagen waren uns
bis eine Meile vor Bonn entgegengekommen, Die Stadt selbst war mit
Blumen, Fahnen, Girlanden und Transparenten reichlich geschmückt. Alle
Straßen waren voll Menschen, wir bekamen viele Buketts und Kränze. Von
den offiziellen Reden habe ich nicht viel gehört, da ich bei der 3. Schwadron
bin und wir zu dreien abgebrochen waren. Nachdem der Umzug durch die
Straßen unter vielem Böllerschießen und noch mehr Geschrei zu Ende war,
ging unsere Schwadron nach Godesberg, wo wir vierzehn Tage bleiben
sollen, bis die Kaserne in Bonn in Ordnung gebracht wird. Ich bin hier im
ersten Hotel einquartiert und lebe sehr angenehm. Godesberg ist ein
wunderhübscher Ort, eine Meile von Bonn und vis-a-vis dem Siebengebirge,
lauter schöne Villen reicher Kölner und Elberfelder, dabei viele Fremde,
besonders Holländer. Die Schwadron führt jetzt der neue Rittmeister Graf
Galen, der sehr nett ist. Er ist ein Neffe des Bischofs Ketteler von Mainz
und stand vor dem Kriege bei den päpstlichen Zuaven in Rom. Am 6. hatten
wir ein großes Diner auf dem Kasino in Bonn, und abends hatten die
Husaren ein großes Fest. Nachher wurde die Stadt wirklich wunderhübsch
illuminiert und auf dem Rathausplatz großes Feuerwerk losgelassen. Am
Freitag hatten wir, als am katholischen Festtag, Ruhetag. Sonnabend gab
die Stadt dem Offizierkorps ein großes Diner in der Beethoven-Halle, wobei
verschiedene Reden gehalten wurden und es sehr vergnügt herging. Es ist
mir sehr recht, daß ich vorläufig noch in Godesberg bleibe, da ich in Bonn
noch keine Wohnung habe. Es ist dort sehr schwer, eine gute und nicht zu
teure Wohnung zu finden. Seid, bitte, überzeugt, daß ich alles tun werde,
was möglich ist, um bald Urlaub zu bekommen und Euch in Flottbek
wiederzusehen. Treuste Wünsche von Eurem treuen Sohn.“
Am 20. Juli 1871 traf ich bei meinen Eltern in Klein-Flottbek ein.
Mein Vater trug am Tage meiner Rückkehr folgende Worte in seine Bibel
ein: „Gott gab uns ein gutes Wiedersehen. Er schütze und segne das Leben
unseres ältesten Sohnes, das Er in Seiner Gnade in diesem Feldzug bewahrt
hat. Wie könnten wir Ihm genug danken, daß Er Bernhards bei dessen
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Godesberg
und Bonn
Ankunft
in Klein-
Flotibek