Die
Berufsfrage
272 NACHWUCHS FÜR DAS AUSWÄRTIGE AMT
angriff den Sieg der preußischen Fahnen herbeigeführt. Er stieg später zu
den höchsten Chargen auf, wurde General der Kavallerie, Generalinspekteur,
Ritter des Schwarzen Adlerordens und, was ihn am meisten gefreut haben
wird, schließlich Chef der Ansbach-Bayreuth-Dragoner. Wir suchten sein
Grabdenkmal in der Pasewalker Kirche auf, bewunderten auch einen
schönen Mauerturm, der wegen seiner weiten Aussicht den echt pommerschen,
gemütlichen Namen ‚„Kiek in die Mark“ trug. Wir promenierten Arm in
Arm auf dem Marktplatz und schmiedeten Zukunftspläne. Ich trug mich
noch mit der Hoffnung, daß mein Vater mir als Belohnung für mein gutes
Examen erlauben werde, vorläufig beiden Königshusaren in Bonn zu bleiben.
Als ich am nächsten Tage in Berlin eintraf, schnitt mein Vater weitere
Illusionen in dieser Richtung mit der Eröffnung ab, daß er über meine
Zukunft endgültig verfügt habe. Er habe mit dem Unterstaatssekretär des
Auswärtigen Amtes, Exzellenz von Thile, gesprochen und ihn gefragt, ob
eine Chance wäre, daß ich in den diplomatischen Dienst übernommen
werden könnte. Herr von Thile habe erwidert, daß die Aussichten in dieser
Beziehung sogar ganz günstig seien. Nach dem siegreichen Krieg ströme
alles zur Armee, während es unserer Diplomatie an Nachwuchs fehle. Fürst
Bismarck habe kürzlich an das Militärkabinett geschrieben und es gebeten,
drei tüchtige Offiziere zum Auswärtigen Amt zu kommandieren. Von diesen
drei Offizieren ist, wie ich einschalten will, nur einer im Auswärtigen Dienst
geblieben: Graf Kuno Rantzau, damals Leutnant im 3. Garde-Ulanen-
Regiment. Er sollte 1878 der Schwiegersohn des Fürsten Bismarck werden.
Er hat in der nicht leichten Stellung eines Eidams des mächtigen Kanzlers
Takt und Würde bewiesen. Er war dabei ein pflichttreuer Beamter, über
den Durchschnitt begabt, ein vornehmer Charakter mit den guten Eigen-
schaften des Holsteiners: Zuverlässigkeit, Ruhe und gewissenhafter Fleiß.
Er hat wie im Auswärtigen Amt so auch später als Gesandter in München
und im Haag nichts verdorben, wohl aber zusammen mit seiner lieben und
guten Frau Achtung und Sympathie eingeflößt. Daß Holstein und Phili
Eulenburg, die beim Sturze des Fürsten Bismarck und noch viele Jahre
nach diesem Sturze Hand in Hand als intime Freunde gingen, Kuno
Rantzau anfeindeten, hatte seine guten Gründe. Holstein grollte Rantzau,
weil dieser seine bisweilen arg verschlungenen Wege und oft bedenklichen
Ränke nicht mitmachen wollte. Phili aspirierte auf den von Rantzau
bekleideten Posten in München. Die beiden anderen 1872 zum Auswärtigen
Amt kommandierten Offiziere sind nicht im diplomatischen Dienst ge-
blieben. Der eine, Herr von Werthern, ein Zwölfer Husar, dem einst eine
größere Zukunft prophezeit worden war, sei es in der Armee, sei es als
Diplomat, hat es nur bis zum Kommandanten der kleinen Festung Wesel
gebracht, der andere, Herr von Brandis, ein Hannoveraner, bis zum