Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER „GUIDE DIPLOMATIQUE* 273 
Hofmarschall in Sigmaringen. Sic eunt fata hominum, ach gingen sie doch 
nicht so krumm, heißt es nicht mit Unrecht in einem alten Bülowschen 
Stammbuch unter einer Zeichnung, die eine Zickzacklinie darstellt. 
Nach der ihm von Herrn von Thile gewordenen Orientierung hatte mein 
Vater an meinen Kommandeur, den Prinzen Heinrich XIII. Reuß, ge- 
schrieben, daß er um meine Überführung zu den Offizieren der Reserve 
bitte, und im gleichen Sinne mit dem Chef des Militärkabinetts, dem 
General von Albedyll, gesprochen. Mein Vater drückte mir den Wunsch 
aus, daß ich, dem Rate des Unterstaatssekretärs von Thile folgend, zu- 
nächst ein Jahr in Metz beim Landgericht und beim Bezirkspräsidium 
arbeiten möge. Er habe mich zum diplomatischen Dienst bestimmt und 
sehe mit Herrn von Thile in der für mich in Aussicht genommenen Tätigkeit 
in Metz die beste Vorbereitung für meinen künftigen und endgültigen 
Beruf. „Ich glaube zwar gern mit deinem von mir sehr geschätzten Gönner, 
dem General Lo&, daß du mit der Zeit einen schneidigen Husarenoberst 
abgeben würdest, meine aber doch, alles in allem, daß die diplomatische 
Laufbahn dir am meisten liegt. Du weißt, wie lieb ich dich habe. Du weißt 
auch, daß ich mit siebenundfünfzig Jahren und als ein Mann, der wie 
Odysseus vieler Menschen Städte sah und Sitten kennenlernte, einige 
Lebenserfahrung besitze. Ich habe mir die Sache reiflich überlegt. Es bleibt 
bei Metz. Wenn Fürst Bismarck dich nach einem Jahr nimmt, dann Glück 
auf für das Auswärtige Amt und die diplomatische Karriere.“ Gleichzeitig 
schenkte mir mein Vater den „Guide diplomatique‘ von Martens. Mein 
Vater war ein Bibliophile und hatte den „Guide diplomatique“ in Leder 
schön einbinden lassen. „Gerade in der Diplomatie“, fuhr er fort, „lernt 
man durch das Leben mehr als durch Bücher. Aber wer ein Künstler werden 
will, und die Diplomatie ist, merke dir das, keine Wissenschaft, auch leider 
kein Zweig der Ethik, sondern eine Kunst, der muß auch die Technik seines 
Berufes beherrschen. Dazu soll dieses Buch dir dienen.“ 
Mit meinem Martens bewaffnet, trat ich die Reise nach Bonn an, wo 
ich nur noch sechs Wochen Husarenleben vor mir hatte, die ich wie den 
letzten Schluck eines guten Weines doppelt genoß. Unter Galen, der ein 
ausgezeichneter Reiter war, wurde flott exerziert und jeden Tag durch den 
Sprunggarten gegangen. Die Felddienstübungen erschienen mir hoch- 
interessant. Die Schnitzeljagden liebte ich fast noch mehr. Das Leben im 
Kameradenkreise behagte mir ungemein. Ich habe später die Klubs von 
Berlin und Wien, von Athen und Bukarest, von St. Petersburg, London 
und Rom kennengelernt. In keinem Klub der Welt habe ich mich so wohl 
gefühlt wie in unserem bescheidenen Kasino in der Sterntorkaserne. In 
keiner Gesellschaft konnte eine schönere Harmonie herrschen als in 
unserem Offizierkorps. Daran änderte auch der leidige Kulturkampf nichts, 
18 Bülow IV 
Ein Jahr 
nach Metz 
Abschied 
von Bonn
	        
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