Das Metzer
Stadttheater
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fordere. ,„„Je vous demande l’acquittement pur et simple, et vous me
l’accorderez.“
Als ich geschlossen hatte, nahm der Leiter der Schwurgerichtsverhand-
lung, ein Appellationsgerichtsrat aus Kolmar, ein Elsässer, der schon in
französischer Zeit im Justizdienst gestanden hatte, das Wort, um die Jury
zu warnen: „Le jeune stagiaire qui vient de parler, possede le don dangereux
de l’öloquence. Je prie Messieurs les Jur&s de ne pas se laisser entrainer
trop loin par le brillant plaidoyer que nous venons d’entendre.“ Ich las in
den Augen der Geschworenen, daß diese Warnung gar keinen Eindruck auf
sie machte. Nach kurzer Beratung kehrten sie zurück, und der Obmann
verkündete die Freisprechung des Angeklagten. Um zu sehen, welchen
Eindruck diese Wendung auf meinen hinter mir sitzenden Klienten mache,
wandte ich mich um und sah in ein sehr erstauntes Gesicht. „‚Dös hätt i net
denkt, daß Sie mi frei kriegaten. Jetzt müssen’s mia aba scho a paar Markl
schenka, damit i mia für mein Freispruch an zünftig’n Abend mach’n ka.“
Ittenbach, Hamm, Seckendorff, Magdeburg, alle meine Freunde vom Land-
gericht und vom Bezirkspräsidium, gratulierten mir auf das herzlichste.
Wenn ich ein Vierteljahrhundert später im Reichstag eine Entgleisung
Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II. einzurenken hatte, so flüsterte mir
Ittenbach, der als Generalauditeur häufig auf der Estrade des Bundesrats
erschien, bisweilen boshaft zu: „Das ist ja beinahe so knifflig wie seinerzeit
der Fall mit dem Bayern in Metz.“
Wenn Themis mir im Gerichtssaal hold gewesen war, so sollte bald nach-
her Amor um so grausamer meiner spotten. Um deutsche Sprache und
Kultur zu verbreiten, erschien eine deutsche Schauspielertruppe in Metz.
Alle deutschen Beamten und Offiziere hielten es mit Recht für ihre Pflicht,
im Metzer Stadttheater die Aufführungen der übrigens recht guten
Truppe zu besuchen. Der Star der Truppe war die Naive. Sie hieß Ada.
Sie war reizend. Sie hatte herrliches blondes Haar, sie hatte sentimentale
und dabei doch schelmische Augen. Sie war vom ersten Augenblick an der
Liebling des Publikums. Wenn sie als Käthchen von Heilbronn auftrat, ent-
zückte sie, als Klärchen begeisterte sie, als Gretchen rührte sie uns unaus-
sprechlich. Ich fehlte bei keiner Vorstellung. Ich applaudierte, als wäre ich
der Chef der Claque. Trotz meines bescheidenen Budgets ließ ich ihr bei
passenden Anlässen prächtige Blumensträuße und, wenn sie als Gretchen
ihr „Heinrich! Heinrich!“ gewimmert hatte, einen Lorbeerkranz über-
reichen.
Der würdige Regierungsrat Jonas, der das deutsche Theater betreute,
stellte mich ihr vor. Aber es wollte mir nicht gelingen, ihr Herz zu rühren.
Und warum? Ich hatte einen Rivalen. Und wer war dieser Rivale? Der
Komiker der Truppe. Ich empfand alle Qualen der Eifersucht, einer offenbar