Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Das Metzer 
Stadttheater 
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fordere. ,„„Je vous demande l’acquittement pur et simple, et vous me 
l’accorderez.“ 
Als ich geschlossen hatte, nahm der Leiter der Schwurgerichtsverhand- 
lung, ein Appellationsgerichtsrat aus Kolmar, ein Elsässer, der schon in 
französischer Zeit im Justizdienst gestanden hatte, das Wort, um die Jury 
zu warnen: „Le jeune stagiaire qui vient de parler, possede le don dangereux 
de l’öloquence. Je prie Messieurs les Jur&s de ne pas se laisser entrainer 
trop loin par le brillant plaidoyer que nous venons d’entendre.“ Ich las in 
den Augen der Geschworenen, daß diese Warnung gar keinen Eindruck auf 
sie machte. Nach kurzer Beratung kehrten sie zurück, und der Obmann 
verkündete die Freisprechung des Angeklagten. Um zu sehen, welchen 
Eindruck diese Wendung auf meinen hinter mir sitzenden Klienten mache, 
wandte ich mich um und sah in ein sehr erstauntes Gesicht. „‚Dös hätt i net 
denkt, daß Sie mi frei kriegaten. Jetzt müssen’s mia aba scho a paar Markl 
schenka, damit i mia für mein Freispruch an zünftig’n Abend mach’n ka.“ 
Ittenbach, Hamm, Seckendorff, Magdeburg, alle meine Freunde vom Land- 
gericht und vom Bezirkspräsidium, gratulierten mir auf das herzlichste. 
Wenn ich ein Vierteljahrhundert später im Reichstag eine Entgleisung 
Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II. einzurenken hatte, so flüsterte mir 
Ittenbach, der als Generalauditeur häufig auf der Estrade des Bundesrats 
erschien, bisweilen boshaft zu: „Das ist ja beinahe so knifflig wie seinerzeit 
der Fall mit dem Bayern in Metz.“ 
Wenn Themis mir im Gerichtssaal hold gewesen war, so sollte bald nach- 
her Amor um so grausamer meiner spotten. Um deutsche Sprache und 
Kultur zu verbreiten, erschien eine deutsche Schauspielertruppe in Metz. 
Alle deutschen Beamten und Offiziere hielten es mit Recht für ihre Pflicht, 
im Metzer Stadttheater die Aufführungen der übrigens recht guten 
Truppe zu besuchen. Der Star der Truppe war die Naive. Sie hieß Ada. 
Sie war reizend. Sie hatte herrliches blondes Haar, sie hatte sentimentale 
und dabei doch schelmische Augen. Sie war vom ersten Augenblick an der 
Liebling des Publikums. Wenn sie als Käthchen von Heilbronn auftrat, ent- 
zückte sie, als Klärchen begeisterte sie, als Gretchen rührte sie uns unaus- 
sprechlich. Ich fehlte bei keiner Vorstellung. Ich applaudierte, als wäre ich 
der Chef der Claque. Trotz meines bescheidenen Budgets ließ ich ihr bei 
passenden Anlässen prächtige Blumensträuße und, wenn sie als Gretchen 
ihr „Heinrich! Heinrich!“ gewimmert hatte, einen Lorbeerkranz über- 
reichen. 
Der würdige Regierungsrat Jonas, der das deutsche Theater betreute, 
stellte mich ihr vor. Aber es wollte mir nicht gelingen, ihr Herz zu rühren. 
Und warum? Ich hatte einen Rivalen. Und wer war dieser Rivale? Der 
Komiker der Truppe. Ich empfand alle Qualen der Eifersucht, einer offenbar
	        
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