Marche-les-
Dames
282 DIE ARENBERGS
Eltern in Marche-les-Dames bei Namur zu verleben. Man konnte sich
kaum ein freundlicheres Heim denken als Marche-les-Dames und sicherlich
keinen harmonischeren Familienkreis als den Arenbergschen. Der Vater,
Prinz Anton Arenberg, erinnerte in Gesichtsschnitt, Ausdruck und Haltung
an die Porträts, die van Dyck im siebzehnten Jahrhundert von Fürsten und
Adligen gemalt hat. Jeder Zoll ein Herr! Dem adligen Äußern entsprach
die innere Noblesse. Er war von größter Einfachheit, echter Liebenswürdig-
keit, einer sich nie verleugnenden Höflichkeit gegen jedermann. Als ich mit
ihm und seinen Söhnen an einem schönen Frühlingsmorgen am Ufer der
Maas spazierenging, war der Leinpfad, auf dem wir wandelten, mit Arbeitern
besetzt, die angelten. Bei jedem Arbeiter zog der Prinz Anton Arenberg den
Hut und bat mit immer gleicher Courtoisie um Entschuldigung, wenn er
störe. Er besaß die „politesse du c@ur“, ohne die Name und Rang wenig
bedeuten.
Die Prinzessin Maria Ghiselaine von Arenberg, geborene Gräfin Möerode,
war eine Frau von Geist und Willenskraft. Sie hatte in jungen Jahren
mehrere Winter in Wien verlebt. Ihre Schwiegermutter war eine Prinzessin
Lobkowitz, zwei Brüder ihres Gatten hatten im österreichischen Heer ge-
dient und Österreicherinnen geheiratet, der eine, Prinz Josef, eine Prin-
zessin Liechtenstein, die Schwester der genialen Fürstin Elisa Salm, der
langjährigen Freundin meiner Frau, der andere, Prinz Karl, eine Gräfin
Hunyady, die Witwe des Fürsten Michael III. von Serbien.
Diese verwandtschaftlichen Beziehungen hinderten die Prinzeß Anton
Arenberg nicht, sich über die Ungebildetheit und Oberflächlichkeit der
österreichischen Aristokratie frei zu äußern. Fiakerwitze, so erzählte sie mir,
bildeten das bevorzugte Thema der Konversation in den hohen und höchsten
Kreisen. Ein besonders populärer Fiakerkutscher hatte Schwan geheißen,
und Wortspiele, die sich um die Verwechslung von „Schwanerl‘““ und
„schweinerl‘“ drehten, hätten Lachsalven hervorgerufen. „On ne respecte
pas l’esprit en Autriche‘“, meinte sie, „et un pays oü on ne respecte pas
l’esprit est un pays qui baisse.‘‘ Sie erzählte mir, daß siein Wien mit Vorliebe
die herrlichen Aufführungen im Burgtheater besucht habe, besonders gern,
wenn der ,‚Faust‘‘ gegeben wurde. Wenn sie auch nicht geläufig Deutsch
spreche, so verstehe sie es doch hinreichend, um, das Textbuch in der Hand,
einer Theateraufführung folgen zu können. Da habe sie konstatiert, daß in
Wien regelmäßig die Szene ausgelassen wurde, wo Mephistopheles von dem
guten Magen der Kirche spricht, die ganze Länder aufgefressen und sich doch
nie übergessen habe und die allein ungerechtes Gut verdauen könne.. Auf
ihre Frage sei ihr gesagt worden, daß dieser Passus, als unpassend, nicht
rezitiert werden dürfe. „Voyez-vous‘“, meinte sie dazu, „voilä un delit
de löse-esprit. Certes, je suis tr&s bonne catholique, mais on ne sert ni