Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Die 
österreichische 
Mission 
14 TANTE PAULA 
durch seinen Biedersinn, seine treue Anhänglichkeit an das großherzogliche 
Haus und als hervorragender Reiter im Lande der Obotriten während der 
ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts allgemeine Verehrung er- 
worben hatte. Der Sohn hatte nicht die robuste Konstitution des Vaters 
geerbt. Er starb, kaum vierundvierzig Jahre alt, schwindsüchtigin Mentone. 
Seine Witwe Paula hat nach seinem Tode lange Zeit in Schwerin als Ober- 
hofmeisterin fungiert und war am Berliner und am Wiener wie am russi- 
schen Hofe gleich bekannt und beliebt. Sie war eine Tochter des lang- 
jährigen württembergischen Gesandten in Wien und Berlin, des Grafen 
Franz de Paula von Linden und einer Freiin von Hügel. Im Schwabenlande 
scherzte man in der Bundestagszeit: „Auf einem Hügel stebt eine Linde 
und vor der Linde ein Wächter.‘ Die drei Familien Hügel, Linden und 
Wächter saßen in mancher fetten Pfründe und übten auf diese Weise 
starken politischen Einfluß aus. Meine Tante Paula war sehr schön. Sie 
hatte als junge Komteß in Wien dem Erzherzog Max den Kopf verdreht. 
Er wollte sie partout heiraten, was von seiner Mutter, der Erzherzogin 
Sophie, nicht ohne Mühe verhindert wurde. Vielleicht würde der arme Erz- 
herzog, wenn er der Gatte der gescheiten und verständigen Paula Linden 
geworden wäre, sich nicht auf das mexikanische Abenteuer eingelassen 
haben, an dem er jämmerlich zugrunde ging. Paula Bülow-Linden hat unter 
dem Titel „Aus verklungenen Zeiten‘ einen schmalen Band veröffentlicht, 
in dem sie ohne Prätension, aber mit Anmut, aus ihrem fast achtund- 
achtzigjährigen Leben (1833 bis 1920) manches Hübsche und auch einiges 
Interessante erzählt. Ganz vorurteilsfrei, obwohl sie zeitlebens an Höfen 
gelebt hatte, stand sie noch als achtzigjährige Frau in regem Briefwechsel 
mit Ernst Häckel, dem Philosophen Carneri,. mit Paul Lindau, Josef 
Kainz, Cäsar Flaischlen, dem Grafen Paul Hoensbroech, Wolzogen und 
vielen anderen. Am Abend ihres Lebens neigte sie zu sozialistischen Ideen 
und arbeitete mit regem Eifer einen Plan gemeinsamer staatlicher Kinder- 
erziehung aus, zu dem sie die Anregung 1874 bei einem Besuch des Moskauer 
Findelhauses empfangen hatte. 
‘Von Österreichern verkehrten in meinem elterlichen Hause während 
unserer Frankfurter Zeit freundschaftlich zwei Herren, die später in ihrem 
Vaterland an wichtigen Posten stehen sollten. Der damalige Legations- 
sekretär Braun wurde als Freiherr von Braun Chef der Kabinettskanzlei 
des Kaisers Franz Josef, den er während Jahren und Jahrzehnten in allen 
inneren Fragen der Monarchie beriet, eine Stellung, die an die Arbeitskraft, 
die Gewandtheit und vor allem an die Geduld des Ratgebers wie des zu Be- 
ratenden sehr große Anforderungen stellte. Der damalige österreichische 
Militärattach& Hauptmann Friedrich Beck, ein Badenser aus Freiburg im 
Breisgau, diente seit 1846 im kaiserlichen Heer. Er wurde 1867 Vorstand
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.