XXL. KAPITEL
Beschäftigung im Auswärtigen Amt (1873/74) -« Graf Paul Hatzfeldt, seine Fingerzeige
für Verhalten mit S.D. » Lothar Bucher » Wilhelmstraße 76 - Abendempfünge im
Bismarckschen Hause « Bismarckfeindliche Strömungen in der Berliner Gesellschaft
Mangelnde Begabung des Deutschen für Politik
N: meiner Einberufung in das Auswärtige Amt ließ mich mein Vater
zunächst je drei Wochen im Zentralbüro, im Chiffrierbüro, in der Gehei-
men Registratur und in der Legationskasse beschäftigen. ‚Wer‘, sagte er zu
mir, „ein Haus bewohnen will, tut gut, sich auch im Erdgeschoß umzusehen
und Bekanntschaft mit den Fundamenten zu machen. Und dann sollst du
in diesen Büros Respekt vor unseren ausgezeichneten Subalternbeamten
bekommen.‘ Später überwies mich mein Vater für je sechs Wochen dem
Geheimen Legationsrat Reichardt in der Handelspolitischen und dem
Geheimen Legationsrat Hellwig in der Rechts-Abteilung zur Ausbildung,
zu recht gründlicher Ausbildung, wie mein Vater den Herren Geheim-
räten einschärfte.
Meinen Wunsch, schon jetzt der Politischen Abteilung überwiesen zu
werden, lehnte mein Vater a limine ab. Mit der großen Politik würde ich
früh genug Bekanntschaft machen. Wer von dieser schweren Speise vor-
zeitig nasche, der verderbe sich leicht den Magen oder er werde zum
Dilettanten. Und in der auswärtigen Politik bedeute ein Dilettant so viel
wie einen Pfuscher, d.h. ein Mensch, der, weil er den Ernst der Kunst und
ihre Schwierigkeiten unterschätze, die Dinge falsch auffasse, falsch anfasse
und sie damit verderbe. Aber wenn auch noch nicht mit Problemen der
großen Politik befaßt, trat ich doch schon im Winter 1873/74, also in sehr
jungen Jahren, den beiden nach meinem Vater bedeutendsten Räten des
Auswärtigen Amtes näher, dem damaligen Legationsrat Graf Paul Hatz-
feldt und dem Geheimen Legationsrat Lothar Bucher.
Graf Paul Hatzfeldt war ein Sohn des Grafen Edmund von Hatzfeldt-
Weißweiler und der Gräfin Sophie von Hatzfeldt-Trachenberg, die mir, wie
ich schon erzählt habe, in Leipzig mehr als einmal am Arm bald dieses, bald
jenes sozialdemokratischen Freundes in Restaurants und auf der Prome-
nade zwischen dem Grimmaischen und dem Hallischen Tor begegnet war.
19°
Einberufung
Graf
Paul
Hatzfeldi