Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

BÜLOWS GROSSONKEIL 3ll 
Gabriele von Bülow‘ gesprochen und mir gesagt, wie sehr sie Gabriele ge- 
liebt und wie hoch sie deren Gatten geschätzt hätte. Gabriele verlor ihren 
großen Vater 1835. In ihrer vielgelesenen Biographie* wird von den letzten 
Stunden Wilhelms von Humboldt eine mit Recht berühmte Schilderung 
gegeben. Wenigen Menschen wurde eine solche Euthanasie beschieden. 
Sein Sterben entsprach in der Ruhe und Klarheit, mit denen er dem Tode 
entgegensah, völlig seinem ganzen Leben, und man könnte kein besseres 
Motto dafür finden als die Worte Schillers in den „Künstlern“, für die 
auch Humboldt immer eine ganz besondere Vorliebe gehabt hatte: 
Mit dem Geschick in hoher Einigkeit, 
Gelassen, hingestützt auf Grazien und Musen, 
Empfängt er das Geschoß, das ihn bedräut, 
Mit freundlich dargebotenem Busen 
Vom sanften Bogen der Notwendigkeit. 
Während seiner letzten Stunden sagte er zu seiner Tochter Gabriele: 
„Ich glaube nicht, daß alles mit diesem Leben vorbei ist. Mein Bruder 
Alexander glaubt nun, daß wir selbst nach dem Tode nichts mehr von der 
ewigen Weltordnung erfahren werden, ich aber glaube, daß der Geist doch 
das Höchste ist und nicht untergehen kann.“ Während seiner Agonie 
zitierte er griechische Hexameter. Zu seiner Tochter sagte er: „Ich sterbe 
jetzt noch nicht, denn ich kann noch bis in die Haare der Venus sehen.“ 
Man hatte ihn in sein Arbeitszimmer gebracht, wo die Venus von Melos 
stand. Seine letzten Worte waren: „In mir ist es ganz still, hell und be- 
sonnen, so daß ich nicht klagen kann.“ 
Fünf Jahre nach dem Tode seines großen Schwiegervaters, 1841, 
wurde Heinrich Bülow zum preußischen Bundestagsgesandten in Frankfurt Heinrich 
am Main ernannt, wo er mit Gabriele in derselben freundlichen Mainzer v. Bülow 
Straße wohnte, in der ich zehn Jahre nachher meine Kindheit verleben 
sollte. 1842 wurde er zum Minister des Äußern ernannt. Als solcher hat sich 
Heinrich Bülow in vierjähriger Tätigkeit, wie nach ihm mein lieber Vater 
in sechsjähriger Amtszeit, zu Tode gearbeitet. Beide starben sie, um eine 
Bismarcksche Wendung zu gebrauchen, aufihrem Amtssessel wie ein Soldat 
im Feuer. Nicht lange vor seinem Heimgang hatte die damalige Prinzessin 
von Preußen, die nachmalige Königin und Kaiserin Augusta, an Gabriele 
Bülow geschrieben: „Sie wissen, daß ich in Bülow den einzigen Staatsmann 
Preußens in dieser ernsten Zeit verehre und gleichzeitig den persönlichen 
Freund, und das sagt mehr, als ich sonst aussprechen könnte.“ Heinrich 
Bülow starb am 6. Februar 1846. Als König Friedrich Wilhelm IV. die 
* Gabriele von Bülow, Tochter Wilhelms von Humboldt. Ein Lebensbild. Berlin, bei 
Ernst Siegfried Mittler und Sohn.
	        
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