Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

Römische 
Geselligkeit 
326 PIO NONO 
Onkel, der päpstliche Kriegsminister Graf Friedrich Merode, von 1860 
bis 1864 Waffenminister des Papstes, ihm gelegentlich und vertraulich den 
nachstehenden, für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Italien 
bezeichnenden kleinen Vorfall erzählt hatte. Pius IX., hinter dessen Stuhl 
der Graf Merode stand, empfing einen deutschen, katholischen Grafen. 
Dieser klagte über alles Leid, das die italienische Einheitsbewegung über 
die Kirche gebracht habe. Der Papst hörte andächtig zu und gab hier und 
da Zeichen bewegter Zustimmung. Als der deutsche Herr entlassen worden 
war, sagte Pius IX., der vergessen hatte, daß Merode noch hinter seinem 
Stuhle stand, zu dem diensttuenden italienischen Kämmerer neben sich: 
„Questo bestione tedesco non capisce la grandezza e la bellezza dell’idea 
nazionale italiana. (Dieses deutsche Tier versteht nicht die Größe 
und Schönheit der italienischen Nationalidee.)‘“ Aus dieser und ähnlichen 
Erzählungen Arenbergs hatte ich schon lange, ehe ich nach Rom kam, 
erkannt, daß die Beziehungen zwischen der Kurie und dem modernen 
Italien wesentlich komplizierter sind, als der Nichtitaliener annimmt. 
Die Geselligkeit dieses Winters war sehr angeregt. Ich tanzte viel. 
Während eines Balles im Quirinal hatte ich bei dem sehr rasch getanzten 
Kehraus-Galopp das Pech, Seiner Majestät dem König Viktor Emanuel Il. 
auf den Fuß zu treten. Ich sah in ein sehr erzürntes, hochrotes, überaus 
martialisches Gesicht mit einem riesigen Knebelbart. Ich hütete mich wohl, 
mich zu entschuldigen, sondern tanzte so rasch wie möglich weiter. Der 
große König hat Gott sei Dank nie erfahren, wer ihm auf den Fuß trat. Das 
schönste Fest der Saison war ein Kostümball bei dem Herzog Onorato 
Sermonetain dem herrlichen Palazzo Caötani, ein echt römischer Palazzo 
in der Mitte der Stadt, in der engen und dunkeln Via delle Botteghe oscure 
gelegen, aber im Innern von einer Pracht, wie sie in Privathäusern anderswo 
als in Italien nicht häufig zu finden ist. Der Herzog war der Chef einer der 
wenigen uradligen römischen Familien und leitete seine Abstammung von 
Docibilis I. Magnificus, Herrn von Gaeta ab, der in der Zeit der Karolinger 
lebte. Herzöge von Gaeta seit dem zehnten Jahrhundert, gaben die 
Caötani der Kirche zwei Päpste, Gelasius II.im zwölften und Bonifazius VIII. 
im dreizehnten Jahrhundert. Das Grabmal der Caecilia Metella auf der Via 
Appia, das jeder Romfahrer kennt, gehörte im Mittelalter den Caetani, 
die das Gebäude mit einem Zinnenaufsatz versahen und zum Turm einer 
Raubburg machten, von der aus sie, wenn es ihnen paßte, Streifzüge in die 
Campagna unternahmen und gelegentlich auch einem ihnen unbequemen 
Papst Trotz boten. In mittelalterlicher Tracht sah der Herzog Onorato auf 
seinem Ball aus, als ob er am nächsten Tage allen seinen Feinden den Fehde- 
handschuh hinwerfen würde. Auch andere Kostüme, sowohl italienische 
wie französische, englische und deutsche, waren prächtig.
	        
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