Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

DER GELEHRTE AUF DEM BALL 327 
Ich war als Wallensteinscher Reitersmann gekleidet, da ich als guter 
Patriot keine ausländische Verkleidung anlegen wollte. Wenn ich mich 
heute in Rom umsehe, erblicke ich nur noch wenige von denen, die dieses 
schöne Fest mitgemacht haben. Donna Teresa Caracciolo, die damals, ein 
reizendes, schlankes Mädchen, am Arme ihres Bräutigams, des Fürsten 
Marco Antonio Colonna, durch die Säle des Palazzo Caötani schritt, ist 
inzwischen eine siebzigjährige Matrone geworden, und wenn wir uns jetzt 
begegnen, freue ich mich an ihrer unverwelklichen geistigen Frische. Alberto 
Pansa, der, während ich der deutschen Gesandtschaft attachiert war, im 
italienischen Ministerium des Äußern als Attache& arbeitete und auf dem 
Ball Caetani ein herrliches Kostüm trug, wurde im weiteren Verlauf seiner 
Karriere mit drei Botschaften: Konstantinopel, London und Berlin, 
betraut. Er geht im Winter jeden Sonntag mit mir auf dem Pincio spazieren, 
und wir tauschen alte Erinnerungen aus. Aber so viele andere Tänzer und 
Tänzerinnen vom Kostümball Caötani im Februar 1875? 
Wo sind sie hin ? Es pfeift der Wind, 
Es schäumen und wandern die Wellen. 
Auf einem anderen Balle, den Keudell im Cafarelli gab, leitete ich die 
Tänze. Plötzlich winkte mich der Gesandte heran und sagte mir, daß Ihre 
Königliche Hoheit die Kronprinzessin Margherita unsern Landsmann 
Gregorovius auffordere, mit ihr die nächste Quadrille zu tanzen. Ich ging 
auf Gregorovius zu und übermittelte ihm diese Aufforderung der hohen 
Frau. Er sah mich lange an, dann kreuzte er die Arme und sagte mir mit 
feierlicher Stimme: „Sagen Sie der Frau Prinzessin, daß Ferdinand 
Gregorovius nicht tanzt.‘“ Er betonte das Wort ,„nicht‘“‘ mit starkem 
Nachdruck. Die kleine Episode war mir charakteristisch für den schweren 
Ernst deutscher Gelehrter, tat aber meiner Bewunderung für Gregorovius 
keinen Eintrag. Es gibt wenige deutsche Schriftsteller, die ich mit solchem 
Genuß gelesen habe wie Gregorovius. Mein Freund, der englische Bot- 
schafter in Rom, Sir Rennel Rodd, sagte mir einmal, daß ihn der amerika- 
nische Präsident Roosevelt gefragt habe, welche Lektüre er ihm für eine 
lange Reise empfehle, die er unternehmen wolle und auf der er viel Zeit zum 
Lesen haben würde. Rodd hatte ohne Zögern erwidert: „Die Geschichte 
der Stadt Rom im Mittelalter von Ferdinand Gregorovius.“ Ich teile die 
Bewunderung von Sir Rennel Rodd für dieses herrliche Buch. 
Es ruft mir eine Äußerung Theodor Mommsens ins Gedächtnis, die 
auf dessen Sarkasmus ein bezeichnendes Licht wirft. Mommsen machte in 
Rom im Salon der Gräfin Ersilia Lovatelli, der Schwester des Herzogs von 
Sermoneta, die eine geistvolle und sogar gelehrte Dame war, die sich viel 
mit Archäologie beschäftigte, die Bekanntschaft von Gregorovius. Das 
Ferdinand 
Gregorovius
	        
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