Eine Soiree
XXIV. KAPITEL
Kaisers Geburtstag im Palazzo Caffarelliı - Albano » Spaziergänge in Rom und Ritte in
der Campagna + Der Kronprinz und die Kronprinzessin « Erste Begegnung mit Gräfin
Marie Dönhoff »- Reise des Kronprinzen nach Neapel
m 22. März 1875, dem Geburtstag unseres alten Heldenkaisers, fand
im Palazzo Caffarelli eine Soiree statt, zu der Einladungen an zahlreiche
in Rom vorübergehend oder dauernd weilende deutsche Landsleute ergangen
waren. Herr von Keudell brachte das Kaiserhoch aus. Ihn reden zu hören,
war eine Qual. Es ist mir immer peinlich gewesen, wenn in meiner Gegen-
wart ein anderer beim Reden steckenblieb. Die Unbehilflichkeit des guten
Keudell aber übertraf das, was man bei solchen Gelegenheiten erwarten
kann. Er nahm einen Anlauf, dann schwieg er. Eine Stille von mehreren
Minuten folgte. Dann holte er aus der Seitentasche einige weiße Blätter
hervor, auf denen er den Text seiner Rede sauber niedergeschrieben hatte,
fand aber nicht sogleich das richtige Blatt, stockte wieder und verlor ganz
den Faden, und eine neue, noch längere Pause entstand. Während dieser
Pause stieß eine ältere deutsche Dame aus Mitgefühl oder aus Nervosität
einen lauten Schrei aus.
Als endlich die Rede überstanden und das dreimalige Hoch verklungen
war, wandte sich Keudell den Damen zu, die er nach ihrem Rang durch die
Säle führte. In dem Zimmer, wo die Bilder preußischer Könige und
Königinnen hingen, begegnete er mir. An seinem Arm führte er eine sehr
schöne Frau. Sie hatte braunes Haar, von jener Farbe, die der Engländer
„auburn‘“ nennt. Auch Gretchen, mein kleiner Kölner Schatz, hatte solches
Haar, aber im übrigen glich sie der Dame am Arm des Gesandten von
Keudell wie das Heckenröschen der Gardenia. Womit ich nichts gegen das
Heckenröschen sagen will, das eine reizende Blume ist. Die Dame am Arm
meines Chefs hatte seltsame Augen, Augen, die nicht blau und nicht
schwarz und nicht grün waren, die aber bald blau, bald schwarz, bald grün
schillerten, Augen, aus denen Stolz und Härte sprachen und dann wieder
eine tiefe Melancholie, Augen, die streng, die aber auch kokett und die
sogar zärtlich blicken konnten, Nixenaugen. Wer sie ansah, verstand, daß
diese Frau viele Köpfe verdreht, daß sie große Leidenschaften entzündet