Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

BYRON ALS FREMDENFÜHRER 335 
daß von der Frau, deren Arm während einer Stunde in meinem geruht hatte, 
ein dämonischer Zauber ausging und daß das Schicksal uns wieder zu- 
sammenführen würde. Zum Guten? Zum Bösen? Das ruhte noch im 
Zeitenschoße. 
Am nächsten Morgen fuhr ich auf der Via Appia Nuova an Zypressen 
und Pinien, Steineichen und Oliven vorbei nach Albano. Ich fuhr in einer 
alten gelben Postkutsche zwischen zwei dicken Bäuerinnen, die stark nach 
Knoblauch dufteten. In Albano angelangt, suchte ich eine kleine, be- 
scheidene Osteria auf. Man wies mir ein Stübchen an, in dem außer dem 
Bett nur ein Tisch und ein Rohrstuhl standen, aus dessen Fenstern ich aber 
eine herrliche Aussicht auf die Campagna hatte. Und am Rande dieser 
klassischen Landschaft erblickte ich einen schmalen blauen Streifen, das 
Meer, das Tyrrhenische Meer. 
Für ein paar Soldi erwarb ich Tinte, Feder und das ordinärste Konzept- 
papier, auf dem ich je geschrieben habe. Dann machte ich mich an die 
Arbeit, für die ich statistisches Material mitgebracht hatte, in derselben 
Art wie drei Jahre früher an der Ostsee, in Greifswald. Nur daß ich in 
Albano nicht ritt, sondern nachmittags ein bis zwei Stunden an dem 
herrlichen Albaner See umherschlenderte. 
Die Arbeit war in acht Tagen fertiggestellt. Dann kehrte ich nach Rom 
zurück, diesmal nicht mit der Postkutsche, sondern per pedes apostolorum 
auf der Via Appia Antica, an einem herrlichen Frühlingsmorgen. Als ich 
nachmittags auf dem Corso schlenderte, begegnete ich der Fürstin Y. Die 
Begrüßung von ihrer Seite war nicht so ungnädig, wie ich angenommen 
hatte. „Da sind Sie ja, Sie Ausreißer! Jetzt entwischen Sie mir aber nicht 
wieder. Von heute ab lege ich Beschlag auf Sie.“ Am nächsten Tage 
begannen wir denn auch unsere Wanderungen. Als Führer nahm ich nicht 
den Baedeker, auch nicht den Gsell-Fels, sondern Byron, Canto IV des 
„Childe Harold“. Ich führte sie nach der Peterskirche. 
But lo! the dome — the vast and wondrous dome, 
To which Diana’s marvel was a cell — 
Christ’s mighty shrine above his martyr’s tomb! 
Thou, of temples old, or altars new, 
Standest alone — with nothing like to thee — 
Worthiest of God, the holy and the true. 
Since Zion’s desolation, when that He 
Forsook his former city, what could be, 
Of earthly structures, in his honour piled, 
Of a sublimer aspect ? Majesty, 
Power, Glory, Strength, and Beauty, all are aisled 
In this eternal ark of worship undefiled. 
Albano
	        
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